Gottfried Mayerhofer - Predigten des Herrn - Gottfried Mayerhofer

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PREDIGTEN DES HERRN
- Originaltext nach der Erstausgabe von 1892 -
6.
Am ersten Sonntag nach Weihnachten

Die Darstellung Jesu im Tempel
Lukas 2,21-38: Und da acht Tage um waren, dass das Kind beschnitten würde, da ward sein Name genannt Jesus, welcher genannt war von dem Engel, ehe denn er im Mutterleib empfangen ward. Und da die Tage ihrer Reinigung nach dem Gesetz Mose's kamen, brachten sie ihn gen Jerusalem, auf dass sie ihn darstellten dem Herrn und dass sie gäben das Opfer, wie es gesagt ist im Gesetz des Herrn: Ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben. Und siehe, ein Mensch war zu Jerusalem, mit Namen Simeon; und derselbe Mensch war fromm und gottesfürchtig und wartete auf den Trost Israels, und der heilige Geist war in ihm. Und ihm war eine Antwort geworden von dem heiligen Geist, er sollte den Tod nicht sehen, er hätte denn zuvor den Christus des Herrn gesehen. Und er kam aus Anregen des Geistes in den Tempel. Und da die Eltern das Kind Jesus in den Tempel brachten, dass sie für ihn täten, wie man pflegt nach dem Gesetz, da nahm er ihn auf seine Arme und lobte Gott und sprach: Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast; denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen, welchen du bereitest hast vor allen Völkern, ein Licht, zu erleuchten die Heiden, und zum Preis deines Volkes Israel. Und sein Vater und seine Mutter wunderten sich des, das von ihm geredet ward.
Und Simeon segnete sie und sprach zu Maria, seiner Mutter: Siehe, dieser wird gesetzt zu einem Fall und Auferstehen vieler in Israel und zu einem Zeichen, dem widersprochen wird (und es wird ein Schwert durch deine Seele dringen), auf dass vieler Herzen Gedanken offenbar werden. Und es war eine Prophetin, Hanna, eine Tochter Phanuels, vom Geschlecht Asser; die war wohl betagt und hatte gelebt sieben Jahre mit ihrem Mann nach ihrer Jungfrauschaft und war nun eine Witwe bei vierundachtzig Jahren; die kam nimmer vom Tempel, diente Gott mit Fasten und Beten Tag und Nacht. Die trat auch hinzu zu derselben Stunde und pries den Herrn und redete von ihm zu allen, die da auf die Erlösung zu Jerusalem warteten.


Empfangen am 25. Dezember 1871


Über den erwarteten Messias

Dieses Kapitel handelt im Anfang von Meiner Geburt, im weiteren Verlauf von der Beschneidung, und dann von den drei Tagen, die Ich im zwölften Jahr im Tempel zu Jerusalem zubrachte. Es sind in diesem Kapitel die Ankunft der drei Weisen aus dem Morgenland, der Kindermord, und noch mehreres verschwiegen wie die Flucht nach Ägypten und die Rückkehr von dort nach dem Tod des Herodes. Auch Ich will das Meiste davon übergehen, da ihr es aus dem Evangelium Jakobus, der Meine Jugendgeschichte darin aufzeichnete [1], und aus anderen Schriften Meiner Apostel wisst.
Wir wollen bei dem oben angeführten Text stehen bleiben, wo es heißt: Joseph und Maria wunderten sich. Über was wunderten sie sich?
Sie wunderten sich über die prophetischen Worte Simeons und die Aussagen Hannas, die mit geistigen Augen in dem zur Beschneidung nach Jerusalem gebrachten Kind den Erlöser, nicht bloß der Juden, sondern der ganzen Menschheit erkannten, Der gekommen war, den Geist vom Zwang der Materie zu befreien.
Dass beide, Joseph und Maria, es nicht verstanden was ihnen prophezeit wurde, ist leicht einzusehen, denn wer von der Empfängnis Marias angefangen bis zur Geburt und Tempeltragung all das rätselhaft Geheimnisvolle in Betracht zieht, der wird leicht einsehen, dass weder Maria noch Joseph recht wussten was sie davon zu halten hatten.
Obgleich die Juden gewohnt waren, durch Propheten unmittelbare Mitteillungen von Mir zu erhalten, so war es bei ihnen doch auch wie es stets ist, sie glaubten selben wenig, solange diese lebten, und ihre Prophezeiungen erhielten erst Wert bei ihnen wenn sie anfingen, sich zu erfüllen.
Sie hofften auf einen Messias, aber ihre Hoffnung war dabei meist auf weltliche Wünsche gegründet; sie hofften auf einen Messias, der von königlichem Stamm entsprossen in einem Palast geboren, als ein großer Held sie vom verhassten Joch der Römer befreien sollte. Dass aber das Kind eines Zimmermanns, als was sie Meinen Nährvater kannten, ihr Erlöser werden sollte, das war außer dem Bereich ihrer gehegten Hoffnung und außer ihrer Fassungskraft.
Eben deswegen staunten auch Joseph und Maria über die Worte Simeons und Hannas. Maria selbst hatte ja in so kurzer Zeit so Wunderbares an sich selbst erlebt, dass sie nicht wusste was bis dahin mit ihr geschehen war, und was sich noch ereignen sollte. Sie gebar einen Sohn, ohne einen Mann als Gegenstand ihrer Hinneigung gekannt zu haben; sie war Mutter, ohne eigentlich das Muttergefühl in seiner ganzen Fülle zu kennen, denn im Allgemeinen ist ein Kind erst das Glied, das die Lebenswege des Mannes und des Weibes zu einem Ganzen, zu einer Familie verbindet.
Maria ward Mutter und fühlte wohl eine Freude eine Frucht ihres Leibes vor sich zu sehen, allein es war mehr Mitleidsgefühl für den hilfsbedürftigen Säugling als das Wonnegefühl einer Mutter ein Pfand der Liebe ihres Gatten an die Brust zu drücken. So begriff sie nicht und konnte es nicht begreifen, was bei ihrer Empfängnis, was bei der Geburt und ferner geschah, denn sie handelte nur nach Weisung höheren Einflusses, und verhielt sich dabei mehr duldend als handelnd, nur ihrem Gefühl als Weib und Mutter folgend, das sie an den Säugling band.
Dieses unbewusste Gefühl wurde natürlich gesteigert als sie von den Zweifeln und bangen Ahnungen, die sie nur allein im Busen zu tragen glaubte, auch das Gleiche und noch Größeres von anderen erfuhr als sie das Kind in den Tempel trug, damit durch die gesetzmäßige Beschneidung und Opferung Ich als Kind in die israelitische Religion aufgenommen und darin erzogen werde.
Was Simeon sagte, war ihr noch mehr ein Rätsel; besonders seine letzten Worte, die lauteten: Sieh, Dieser wird gesetzt zum Fall und zum Auferstehen vieler in Israel und zu einem Zeichen dem man widersprechen wird, auf dass vieler Herzen Gedanken offenbar werden, denn er erkannte das Kind als das, wovon sie noch keine Ahnung hatte, noch haben konnte. Dass aus ihrem Sohn etwas Außerordentliches werden könnte wäre wohl für sie noch fassbar gewesen, war ja die Empfängnis, die Geburt usw. mit so außerordentlichen Erscheinungen begleitet; aber Gott als ein Menschenkind unter ihrem Herzen getragen zu haben, und den zu erwartenden Messias, den geistigen Wiederhersteller nicht allein ihres Volkes sondern der ganzen Menschheit, das waren Begriffe, die in ihrem Kopf keinen Platz hatten. Sie hat Mich noch bei Meinem Kreuzestod nicht als Gott sondern nur als Mensch, als ihren Sohn beweint, und erst durch Meine Auferstehung wurde sie, so wie auch Meine Apostel, im Glauben an Meine Gottheit bekräftigt, die sie bis dahin nicht fassen konnte obwohl Ich es ihnen oft erklärt hatte.
Das Schwert, von dem Simeon sprach, dass es ihre Seele durchdringen werde, war eben der mütterliche Schmerz, denn hätte sie Mich erkannt und gewusst wer Ich eigentlich war, so hätte sie nicht trauern, sondern bei Meinem Hingang nur frohlocken können.
Ich hatte es ihr und Meinen Aposteln zwar öfter vorausgesagt was Mir bevorstehe, allein in jener Zeit der Propheten und wunderwirkenden Essäern fehlte ihnen trotz Meiner Lehre und Meinen Taten die rechte Überzeugung, dass Ich, ein Mensch mit Fleisch und Knochen wie sie, der aß und trank, Gott, der Herr aller Heerschaaren sei, Der in menschlicher Gestalt vom unmündigen Kind an als Mensch sich entwickeln, und am Kreuz enden sollte.
Deswegen staunten Joseph und Maria und begriffen nicht, wer Der sei, Der gekommen wäre zum Fall und zur Auferstehung vieler in Israel; zum Fall für die, die Mich nicht anerkennen wollten, denen Ich nur ein Ärgernis war, und die Mich deshalb verfolgten und schließlich dem Leib nach töteten; zur Auferstehung denen, die an Mich glaubten und nach Meiner Lehre ihr Leben einzurichten suchten, und bei denen das Kreuz, das früher ein Zeichen der Schande war, ein Zeichen höchster Verehrung wurde.


Wiederholung der Lebensgeschichte Jesu in geistiger Form in der Jetztzeit

Ebenso wird es bei Meinem Wiederkommen sein, so wie dazumal die Menschen in Mir nichts anderes sahen als einen von Gott begeisterten Menschen, so wird es auch bei Meiner geistigen Wiederkunft Zweifler geben, ob Meine Lehre auch göttlichen Ursprungs sei, und Ich werde wohl auch dort durch Wunder beweisen müssen, was da Kraft des Worts nicht möglich sein wird.
So wird sich im Ganzen Meine Jugendgeschichte wenigstens in ihren Hauptmomenten und Ereignissen wiederholen, wenn auch nicht in materieller sondern in geistiger Form, weil jetzt das geistige Verständnis bei den Menschen bedeutend mehr vorgerückt ist, und nach und nach die Gläubigen in der Mehrzahl die Ungläubigen und Zweifler aber in der Minderzahl sein werden.


Durch das Kreuz zum Leben

Seht, Meine Kinder, wie Ich Mich einst nach dem jüdischen Kultus der Beschneidung unterzogen habe, so lasst auch ihr euch geistig beschneiden, indem ihr aus eurem Herzen immer mehr das Böse, die Eigenliebe und alles, was gegen die Liebe, die Ich euch gelehrt habe, verstößt, entfernt, damit ihr fähig werdet, mit dem Geist Meiner Liebe getauft zu werden, wie ihr sinnbildlich als erster Schritt des Eintritts in eine Kirchengemeinde mit Wasser getauft wurdet.
Sucht Meine geistige Welt immer mehr zu begreifen und ich euch aufzunehmen, damit nicht auch euch einmal ein Schwert durchdringe, so euch das Weltliche einmal genommen würde, indem ihr demselben zu viel Wert beimessend das beweint, was der Trauer nicht wert ist.
Befleißigt euch die Dinge so zu nehmen wie sie sind, und erfüllt so jeden Tag eure Aufgabe auf Erden, solange es euch bestimmt sein wird hier zu wandeln, damit ihr, wenn einst die Scheidestunde schlägt, nichts zu bereuen und nichts zu beweinen braucht.
Viele leben jetzt die an Mich glauben und Mich lieben wie Maria Mich bei Lebenszeiten geliebt hat, allein das genügt nicht; Meine Forderungen an euch sind bei weitem strenger als ihr sie euch vorstellt. Ihr sollt Mich als das was Ich wirklich bin, als euren Gott und Vater, Der die Liebe ist, und im Sohn Gottes Christum als die von der Liebe erfüllte Weisheit erkennen; das kann aber nur geschehen, wenn ihr euer Fleisch, eure Sinnlichkeit und den Hang zum irdischen absterben lasst am Kreuz, das Ich euch auferlege, und gleich Mir geistig zu einem neuen Leben, zum Leben in der Liebe aufersteht.
Macht, dass auch in euch Christus auferstehe wie Er ist und war, damit ihr euch dann nicht auch zu verwundern braucht, wenn ihr in anders findet als ihr Ihn euch gedacht habt.
Dies zur Mahnung und Danachachtung. Amen.


[1] Jakob Lorber, Die Jugend Jesu - Das Jakobus-Evangelium


Weiteres hierzu siehe die Schrifttexterklärung zu "Und es wird ein Schwert durch deine Seele dringen..."


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