Gottfried Mayerhofer - Christenpflicht - Gottfried Mayerhofer

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Zur Christenpflicht


Jüngst hat dich ein Bruder angegangen, einige schon längst gehegte Zweifel in seinem Inneren durch Mich aufgeklärt und näher bezeichnet zu wissen, weil er schon öfters in Konflikt mit sich selbst gekommen ist, wem man mehr Zeit widmen solle, den weltlichen oder geistigen Berufsgeschäften, wovon die ersteren dieser, die letzteren einer anderen Welt angehören.
Er führte dir den Spruch aus Moses Schöpfungsgeschichte an, wo der Engel den Adam mit seiner Gehilfin aus dem Paradies vertrieb, und ihnen die Worte als Begleitung gab: „Von nun an sollt ihr euer Brot im Schweiß eures Angesichts erwerben“!
Ich könnte deinem Bruder wohl mit zwei Worten aus Meinem Mund während Meines Erdenlebens Bescheid geben, aber da alles, was jetzt geschrieben wird, nicht für einzelne, sondern für's künftige Geschlecht noch seine Wirkung haben soll, so folgen auch hier wieder, neben der verlangten Aufklärung deines Bruders, noch andere Winke und Zeichen, wie ihr Meine Worte und Taten verstehen sollt, damit schon längst angewöhnte irrige Ansichten endlich einmal aus eurem Kopf weichen und einem besseren Verständnis Platz machen. Nun so höre:
Dein Bruder fing mit der Schöpfungsgeschichte des Menschen an, und so will auch Ich dort etwas verweilen, und neben allem dem, was ihr über diesen Akt schon wisst, euch so manches aufklären, was bis jetzt noch im Dunkeln geblieben ist.
Als ich den ersten Menschen schuf und aus ihm seine Gefährtin, so war es in jener Zeit Mein Zweck, dem großen abgefallenen Geist Luzifer einen Weg offen zu lassen, wenn auch nicht ganz, doch in einzelnen Teilen nach und nach wieder zu Mir zurückzukehren.
Was euch die Mosaische Schöpfungsgeschichte, oder was Mein euch diktiertes Buch „die Urschöpfung“ [Jakob Lorber "Die Haushaltung Gottes", 3 Bände]  darüber sagt, ist euch genug bekannt; jedoch den geistigen Verband, das tiefere Verständnis alles dieses schon oft Gelesenen habt ihr doch noch nie geahnt noch erfasst, und eben dieses ist es, in welches Ich euch einführen und wodurch Ich euch wieder zeigen will, dass auch hinter den anscheinend leicht zu erfassenden Dingen eine weit größere geistige Handlung verborgen gelegen ist und stets liegen wird.
Ihr wisst den Vorgang des ersten Sündenfalls, aber ihr wisst nicht, was eigentlich diese erste Sünde war, noch ist es euch je in den Sinn gekommen, diese so zu deuten, wie sie geistig aufgefasst werden sollte.
Ich habe euch schon oben gesagt, dass um dem großen gefallenen Geist [Luzifer] einen Rückweg zu lassen, so kleidete Ich wieder eine Parzelle seines Ichs in materielle Form, gab dieser Form sogar noch den göttlichen Funken, um sich selbst zu reinigen, und so einst für eine andere Welt sich tauglich zu machen.
Ihr wisst, Ich gab diesem ersten Menschen eine Gehilfin, was so viel sagen will, als eine Helferin, welche ihn in seinem Kampf zwischen der angestammten (eigenliebigen Satans-) Natur und dem göttlichen Funken von Mir unterstützen sollte.
Diese Gehilfin ist, war und wird stets das Ergänzende des Mannes sein, ohne welche er nie die Liebe, nie Meine Schöpfung, nie sein eigenes Ziel je ganz verstehen wird, denn nur durch die Gattenliebe, nur durch die Kinderliebe ist ein Weg angebahnt worden, dem menschlichen Herzen die Gefühle zugänglich zu machen, welche Mich einst bewogen, das ganze Universum zu schaffen und so aufzustellen, wie es wirklich gebaut und vollendet ist.
Dass Ich mit dem ersten Menschen zunächst andere Absichten und andere Zwecke hatte als Ich ihn schuf ist wohl wahr, allein Ich schuf ja einen Menschen mit freiem Willen und keine Maschine, und so konnte Ich Mich nicht widersetzen, wenn etwa der Mensch nicht das geworden ist, was er werden sollte. Die erste Probe dazu war das Verbot, die Frucht von einem gewissen Baume zu essen.
Nun, was war dieses Verbot eigentlich? Hier muss Ich eine von vielen gehegte Idee zerstören, welche an die Handlung gegen dieses Gesetz sich knüpft. Dieses Verbot war nicht so gemeint, als sollten die beiden ersten Menschen nie von der Zeugung etwas wissen – nein!
Dieses Verbot war, dem Menschen eben diese große Tugend einzuprägen, gegen welche Luzifer als größter Geist gesündigt hat, und so ein Ableger von ihm, wie der erste Mensch es war, wohl auch in dieser Hinsicht sündigen werde.
Dieses Verbot war die Probe des Gehorsams; diesen sollten die Menschen an sich erproben, um vielleicht im Kleinen zu erreichen, was dem großen Geist im Ganzen nicht gelungen ist!
Dieser Fehler des Ungehorsams ist die Erbsünde, welche der Mensch von seinem Stammvater ererbt hat, und welche noch der Hauptfehler aller Menschen ist, indem alle entweder gegen Meine Gesetze oder gegen Gesetze, welche ihnen das Beisammenleben auferlegt, sündigen.
Ungehorsam ist überall, in der Hütte wie im Palast, in der materiellen wie in der geistigen Welt.
Der weitere Verlauf der Schöpfungsgeschichte sagt euch auch, dass dann das erste Menschenpaar sich versteckte, sich schämte; ja, sie schämten sich ihres Ungehorsams wegen, dass sie etwas vollzogen hatten, was noch nicht in der Schöpfungsidee (oder -ordnung) gelegen, also verfrüht war.
Das Ergebnis ihrer Erkenntnis oder ihres Falls, der erste Sohn, welchen Eva gebar, war auch wieder, wie der große abgefallene Geist selbst, der Widerspruch gegen Meine göttlichen Gesetze in Person, oder der Ungehorsam in menschlicher Form.
Nochmals versuchte Ich es, durch die Erzeugung des zweiten Sohns ein Sinnbild Meines Schöpfungsmenschen gegen die rohe brutale Menschennatur des Kain, den Menschen mit den göttlichen Eigenschaften hinzustellen, aber vergebens; er fiel unter den Schlägen des Kain; und so musste natürlich in Kurzem dann die Ausweisung aus einem Paradies folgen, wo Ruhe, himmlischer Friede dem Menschen bestimmt war, um als Herr der ihn umgebenden Natur sich derselben freuen zu können.
Wo ein Kain leben wollte, waren diese Gärten des Friedens nicht anwendbar, und so erfolgte also das Hinausweisen aus dem Friedenstempel dieser ersten Menschen, eben wegen Ungehorsams sie sich selbst überlassend, was nichts anderes heißen will, als, ihr wart nicht wert, durch die Hand eures Schöpfers geführt, geleitet und ernährt zu werden, sondern habt euch selbst den Weg des Ungehorsams erwählt, und so erwerbt euch nun auch selbst den materiellen Bedarf zu eurem Fortkommen, im Schweiß eures Angesichts.
Dieses war kein Fluch, weder eines Engels, noch weniger eines Gottes oder liebenden Vaters wie Ich war, bin und ewig bleiben werde; es war die notwendige Folge des selbstgewählten Wegs!
Sobald der Mensch nicht mehr Herr der Welt war, so war die Welt Herr des Menschen; sie gehorchte nicht mehr seinem geistigen Willen, sie verweigerte ihm alles, und so musste derselbe, je mehr er sich von seiner geistigen Mission entfernte, der Erde mit Gewalt abzwingen, was selbe ihm früher mit liebender Hand dargereicht hätte.
Der Ungehorsam also ist die große Erbsünde, die sich von Mensch zu Mensch, von Geschlecht zu Geschlecht fortpflanzt, und eben alle Welt- und alle Elementarereignisse, Unglücke und Krankheiten hatten von jeher keinen anderen Zweck, als eben diesen Starrsinn zu brechen, und den Menschen insofern zu überzeugen, dass Auflehnung gegen Meine Gesetze, also Ungehorsam, sich selbst straft.
Solange der Mensch nicht seine geistige Natur ganz erkennt und sie auffassen lernt, solange er dem Materiellen huldigt, ist er in dieser Erbsünde befangen, ist er ungehorsam und eben deswegen meistens ungläubig und leidend.
Mit dem Hinausweisen aus dem Paradies, mit dem Verlieren des geistigen Friedens und der Vermehrung des Menschengeschlechts erwuchsen durch das Zusammenleben gegenseitige Pflichten; diese Pflichten im immerwährenden Widerspruch mit den seelisch-weltlichen Eigenschaften der menschlichen Natur waren also die beständigen Erprober und Läuterer, welche den Menschen zwangen, seinen Drang zum Ungehorsam zu beschränken, und so sollte der angewöhnte Gehorsam im weltlichen Leben den Gehorsam gegen Meine göttlichen Gesetze anbahnen, und auf diese Art den Menschen in jenes Paradies wieder zurückführen, aus dem sein Stammvater vor vielen tausend Jahren vertrieben ward; aber auch nur mit dem Unterschied, dass das jetzt gewonnene Paradies nicht ein äußeres Weltliches, sondern ein inneres, geistiges, nie verwelkendes in der Menschenbrust selbst werden sollte.
Dahin soll und muss die weltliche Arbeit führen, dass, indem der Mensch seine Pflichten getreu erfüllt, welche ihm seine Familie, sein Stand und sein Beruf auferlegen, dieses ihn dann fähig macht, den geistigen und höheren gegen Mich leichter nachzukommen.
Im Schweiß des Angesichts muss der Mensch der Welt seinen Unterhalt abzwingen, und nur durch diesen Kampf erstarkt er gehorsam auch Meinen göttlichen Gesetzen zu sein, die dann statt in tausend Gesetzbüchern nur in zwei Geboten der Liebe bestehen.
Allein, um diese letzteren zu begreifen und zu erfassen, muss der Mensch das bittere „Muss“ erst gekostet haben, er muss erst in seinem eigenen Leben seine eigene Würde als Mensch gerettet haben, ehe er Anspruch machen kann, ein Bürger einer höheren geistigen Welt zu werden. Daher ist es eines jeden Menschen heiligste Pflicht, seinem Berufsgeschäft, seiner Familie mit aller Sorgfalt zu leben; diese sind die ersten Ketten, welche ihn nicht drücken, sondern sich in leichte Blumengirlanden umstalten sollen, weil nur durch Gehorsam in diesen Sphären die Befolgung Meiner Gesetze dann leichter ist.
So ist alles, was auf eurer Erde besteht, eine Kette von Ursache und Wirkung, es ist ein geistiges Band, welches neben dem Weltlichen, das den Menschen an Menschen bindet, noch tiefer liegt und zarter verbindet, nämlich Seelen an Seelen, Geister an Geister.
Wer dieses geistige Band begreift, die ganze Wechselwirkung im geschäftlichen Weltleben durchschauen kann und in selber am Ende nicht nur die Berufsgeschäfte und die Familienbande, sondern die tieferen geistigen Bande erkennt, welche den Menschen in seiner Sphäre üben gehorsam zu sein, ihn für höhere Welten reif zu machen, ihm für Höheres zu fassen ein offenes Herz zu geben, der wird begreifen, dass auch in der geistlosesten Arbeit, welche dem Menschen oft auferlegt ist in seinem Beruf, doch etwas Geistiges liegt; dass, nachdem der Mensch seine Schuldigkeiten gegen die Nächsten und den Staat getan hat, er erst sich selbst den größten Gewinn vorbehalten, nämlich durch getreue Erfüllung der weltlichen Pflichten sich das Gehorchen und Eingehen in die göttlichen erleichtert hat als den Weg, einst ein tüchtiger Bürger einer größeren, ewig dauernden Welt zu werden, wo jede Träne, hier vergossen, jeder Seufzer, der oft unter dem Druck schwerer Arbeit zu Mir aufgestiegen, tausendmal ersetzt wird, und wo der Mensch erst ganz erkennen wird, dass er ohne diese Tränen, ohne diese Seufzer aus beengter Brust nie zu einer freien Ansicht einer Welt gekommen wäre, wo statt weltlicher Gesetze der Strenge nur die Gebote der Liebe allein walten. Dieses ist der Zweck der Arbeit. Arbeit ist Übung im Gehorsam. Gehorsam ist Unterordnung seiner eigenen Individualität anderen gegenüber, ist Verleugnung der in den Menschen gelegten Leidenschaften des Trotzes und des Stolzes.
So wie der große gefallene Geist sich gegen Mich auflehnte, Mir trotzte, und im Stolz seines Selbstbewusstseins gegen Meine Gesetze ungehorsam wurde, so ist auch im Menschen noch dieselbe Neigung zum Widerstand gegen Meine Befehle, wenn sie auch noch so sanft sind.
Dem großen gefallenen Geist wird sein Trotz ebenfalls noch gebrochen werden, wie er dem Menschen durch tausenderlei Hindernisse geschmälert wird bis beide einsehen lernen, dass, sie mögen tun, was sie nur wollen, die große Läuterung der Geister dennoch vor sich geht, und mit jedem kleinen überwundenen Widerstand ein großer Schritt zu Mir herauswächst. So des Widerstands müde, wird auch am Ende doch nur eine Schöpfung dastehen wie Ich sie wollte, und wie selbe nur neben Mir bestehen kann, wo als erstes Grundprinzip die Liebe, und zur Befolgung der Liebegebote der Gehorsam keinen Kampf, keinen Zwang, sondern nur unendliche Seligkeit eine Reihe von geistigen Genüssen bereiten.
Dieses ist der Zweck der Arbeit, wie sie verstanden, wie sie begriffen werden soll! – Dann wirst du, Mein Sohn, für den Ich einstweilen dieses Wort gegeben habe, auch besser verstehen, was Ich einst den Pharisäern sagte, als Ich ihnen zur Antwort gab, „gebt dem Kaiser, was des Kaisers, und Gott, was Gottes ist“.
Dieses sind die wenigen Worte, mit denen Ich dir deine Frage hätte beantworten können; aber jetzt, wo dieses Wort zu Ende geht, wirst du diesen Satz wohl noch besser begreifen, als wenn Ich gleich im Anfang selben dir gegeben oder das Weitere deinem eigenen Urteile überlassen hätte. Sei auch du gewissenhaft, gebe deinem Kaiser, was des Kaisers ist und deinem Gott, was Sein ist, und du wirst in der Pflichterfüllung gegen den ersten die wahre Ruhe und den Frieden bei dem zweiten finden, Der nicht allein dein Gott und Schöpfer, sondern nebenbei auch dein liebender Vater ist, welcher alles tut um euch dorthin zu führen, von wo ihr ausgegangen seid und wo, wenn gleich wieder Arbeit euch erwartet, jedoch eine weit größere, höhere und voll von seligen Genüssen, kein Seufzer euch belästigen wird, sondern euch der Gehorsam gegen Meine Gesetze die größte himmlische Wollust sein wird. Übe dich daher in deinem kleinen Kreis, deine Pflichten als Mensch zu erfüllen und du wirst als Geist dann bei weitem schneller fortschreiten, und Mir und dir selbst mehr nützlich sein können.
So denke Ich den Begriff Arbeit dir näher gestellt zu haben, damit nicht Schwanken, sondern stetes Vorwärtsgehen in deiner Laufbahn dir das Siegen leichter machen mögen, weil du sodann Ungehorsam nicht mehr kennst, und jede vollendete Bürgerpflicht als Stufe zur höheren Geisterwelt ansehen kannst.
Hier siehst du wieder, wie viel Geistiges oft hinter Dingen liegt, die dem gewöhnlichen Auge nur Fakta; dem Geistigen aber Tiefen der höchsten Wonne bieten und dem Menschen zeigen können, wie weit er oft weg ist, alles zu fassen, gerade da, wenn er glaubt, es erst recht verstanden zu haben.
Nicht umsonst tauchen in euch manchmal solche Zweifel und Gewissensskrupel auf, sie werden erzeugt, um euch immer den Beweis zu geben, dass ihr noch lange nicht ausgelernt habt und oft, wie ihr sagt, den Wald vor lauter Bäumen nicht seht.
Ich lasse solche Dinge zu, um erstens dem Frager und dann den nachfolgenden Geschlechtern und mitlebenden Menschen wieder einen Fingerzeig zu geben, wie sehr alle stets unter der Schale des Worts die geistige Bedeutung suchen sollten; denn Mein Reich ist ein Geistesreich, ein Reich der göttlichen Ideen, welche durch alle materiellen und geistigen Wellen hindurch in einer ewigen Kette verbunden einen Kreis bilden, dessen Mittelpunkt Ich bin. Nichts ist ohne ein Warum erschaffen und nichts ist ohne Folgen. So erhält, ergänzt und ersetzt sich das Bestehende, geht seiner Bestimmung entgegen, und vollendet seine Mission, warum es geschaffen wurde.
Damit aber die Menschen sehen und begreifen sollen, dass dieses alles schon längst von Mir bestimmt wurde, ebendeswegen folgen von Zeit zu Zeit diese Erklärungen, damit ihr alle seht und begreift, wie auch im kleinsten Wort, in der unscheinbarsten Handlung Geistiges verborgen liegt, welches zum Bau des Ganzen gehört und so zur Vollendung und Rückkehr alles Geschaffenen zu Mir beiträgt.
„Arbeit“ ist das Losungswort in Meiner ganzen Schöpfung, „Gehorsam“ der einzige Motor, um selbe fruchtbringend zu machen! Ist der Gehorsam vorhanden, so ist die Erbsünde besiegt, der „Kain“ ist getötet, und „Abel's“ sanftes Gemüt belebt jeden Menschen, und macht ihm dann die Arbeit leicht.
So fasse es auf, Mein Sohn, und du wirst auch leichter die Mühen deines Berufslebens ertragen, und Den segnen, Der dir solche aufgeladen hat, um eben erst durch selbe Ihn ganz kennen, ganz begreifen und ganz lieben zu lernen. Amen.“


Quelle: Kennzeichen unserer Zeit, neu-theosophische Schrift N° 43, Auszug aus der Kundgabe „Die Arbeit“ vom 1. November 1872


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