Gottfried Mayerhofer Selbstbeschau - Gottfried Mayerhofer

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Zum Jahreswechsel
Nachdem auf eurer Erde der von Menschen berechnete Anfang eines neuen Jahres oder ein neuer Beginn des Umkreises, auf welchem die Erde in ihrer Bahn um die Sonne getrieben wird, eine Art Festtag ist, wo ein Jeder freudig dem Anderen einen guten Anfang und ein gutes neues Jahr wünscht, so will auch Ich nicht zurückbleiben und euch auf dieser neuen Bahn Meine Glückwünsche darbringen; nur unterscheiden sich selbe von denen der Menschen, weil Ich Dinge für Glück halte, welche dem Menschen oft als Unglück vorkommen.
Bevor Ich aber Mich ans Glückwünschen mache, wollen wir zuvor dem Festtag noch eine andere wichtige Seite abgewinnen, die für euch vielleicht lehrreicher ist, als das (Glück-) Wünschen; denn von allen Wünschen, die Meinigen ausgenommen, erfüllt sich höchst selten einer, und schon aus dem Grund nicht, weil er im Voraus nicht mit ganzem Herzen von dem Wünschenden als erfüllungsmöglich gehegt ward.
Jeder Zeitabschnitt, sei es Geburts- oder Neujahrestag, oder der Tag eines sonstigen wichtigen Ereignisses, hat immer sein eigenes Interesse, und um selben gewissermaßen zu feiern, wie es sich gebührt, so sollte man an jenem Jahrestag eine Art von Gewissenserforschung mit sich selbst halten, in das verflossene Jahr zurückgehen, dort genau erforschen, was gewünscht wurde, ob es sich verwirklicht hat und ob auch das Wünschen des Einen oder des Anderen in der Tat ein dem Menschen würdiges war.
Was dann die Zukunft mit ihren Hoffnungen betrifft, so würden die Erwartungen vom kommenden Jahr sich bei weitem reduzieren, wenn man diese oben vorgeschlagene Rundschau in seinem Herzen gehalten hätte. Ebendeswegen schicke auch Ich Meine Betrachtungen über das Vergangene voraus, ehe Ich auf die Zukunft übergehe. Nun so hört denn:
Im Allgemeinen ereignet es sich, dass wenn Jemand so ein verflossenes Jahr durchblickt, er dann als Endresultat herausbringt, dass von dem Gewünschten und Gehofften nichts oder nicht viel wahr geworden oder sich erfüllt hat. Was geht also so ganz eigentlich aus dieser Schlussfolge hervor, als erste Regel fürs nächste Jahr? Es geht daraus hervor, dass man sich nichts oder gar weniges wünschen soll, und das noch nebenbei in so begrenzten Verhältnissen, dass wenigstens eine Möglichkeit der Erfüllung zu erhoffen wäre.
Ein zweites, was aus dieser Rundschau zerstörter Hoffnungen und nicht erfüllter Wünsche hervorgeht, ist, dass man wahrscheinlich sich Dinge gewünscht hat, die Ich, als der Herr über alles, Der aber nur das Beste der Menschen will, selbes nicht zulassen konnte, weil Ich damit vielleicht zum geistigen Ruin so mancher Menschen sehr vieles Selbst mitgeholfen hätte.
Was geht aus diesem Resultat hervor? Es geht daraus hervor, dass der Mensch zur Einsicht kommen und begreifen sollte, dass nicht alles, was er will, zu seinem Nutzen ist, wenn es wirklich so in Erfüllung ginge, wie er es wünscht. Die daraus folgende Lehre also für das künftige Jahr ist: Wünsche dir nur Dinge und Verhältnisse, die zu deinem geistigen Wohl beitragen können; denn der Vater im Himmel müsste dein Feind sein, wenn Er dir solche Wünsche gewähren wollte, die das Entgegengesetzte bezwecken würden!
Jetzt haben wir schon zwei Hauptfragen und ihre Antwort. Wir wollen nun sehen, ob nicht noch etwas in den gebräuchlichen Wünschen steckt, welches ebenfalls im nächsten Jahr vermieden werden könnte; und sieh, da taucht schon wieder ein Hauptfehler auf, und der besteht überhaupt in dem Wünschen und Hoffen selbst; denn was meint da der Mensch im Ganzen, kennt er oder Ich besser, was ihm gut tut? Wenn so, wie doch jeder denkende Mensch es zugeben sollte, seine Ansicht in Bezug auf gut oder schlecht stets eine beschränkte ist, so sollte er ebendeswegen weder sich noch anderen etwas wünschen; denn er weiß nicht, ob er damit sich oder anderen etwas Gutes oder Schlechtes wünscht.
Also eine dritte Lehre fürs neue Jahr wäre, das Wünschen ganz und gar nur Mir zu überlassen und alles Mir anheimzustellen; denn eben dieses Wünschen und Hoffen zeigt am meisten, wie wenig die Menschen Vertrauen in Meine Führungen haben und nur immer selbst sich ihr Schicksal schmieden wollen, wie sie es in ihrem Wahn für am besten glauben.
Noch eine andere Seite wäre auch die, dass die meisten Menschen gerade in solchen Tagen gegen sich, den Nächsten und gegen Mich fehlen, indem sie bei den Wünschen und Gratulationen, welche sie anderen sagen, oft gar nichts oder gerade das Gegenteil von dem denken, was sie in Worten aussprechen und wie ihr selbst sagt, einen Augenblick „Konvenienz-Lügner“ sind.
Diese Seite des Wünschens ist bei Mir gerade die Schlechteste, welche dem Menschen an seinem moralischen Wert am meisten raubt; denn ein Mensch, der einst Mein Kind werden will, soll nie lügen, unter welchen Umständen es auch sei. Hier ist aber die Lüge von zweifacher Natur, er lügt sich und die Anderen an, missbraucht oft Meinen Namen, und vergeht sich dadurch gegen Meine Heiligkeit. Alle diese Sünden schmerzen aber den Haufen nicht so sehr; man entschuldigt sich damit: „Man muss eben mit den Wölfen heulen“, oder „Man kann gegen den gewohnten Gebrauch sich nicht verstoßen“.
Was heißt aber das alles? Das heißt: Man setzt die Achtung, die Ich von einem Menschen haben soll, hinter die von seinem Nächsten zurück und denkt sich: „Wenn einmal die Zeit der Abrechnung kommt, so werde ich mit meinem Herrgott schon fertig werden, bis dahin aber haben wir Zeit!“ So denkt der Mensch, aber Ich denke anders. Ich lasse dann manchmal zu, dass gerade dasjenige, was ein Mensch jemanden wider Willen wünscht, in Erfüllung geht, und dass, nach was er sich im Stillen sehnt, unerfüllt bleibt.
Ihr seht also aus allem diesem Vorhergehenden, dass mit dem Wünschen und Hoffen eben nicht gar zu viel herauskommt, und dass es beinahe am gescheitesten wäre, statt am Neujahrestag zu aller Welt zu laufen, Besuche abzustatten, und dabei „leeres Stroh zu dreschen“ und Wünsche und zusammengelogenes Zeug vorzubringen, es bei weitem besser wäre, man schlösse sich im einsamen Kämmerlein ein und redete gar nichts, würde sich dort mit Mir unterhalten, würde dort sehen, wie weit man seiner Bestimmung als Mensch nachgekommen ist, und wie viele gute Taten man aus dem verflossenen Jahr ins künftige mit hinübernehmen kann, und ob man nicht im neuen Jahr Unrecht vergüten kann, das man im Alten mit oder ohne Willen an Anderen ausgeübt hat.
Aus diesem Examen ginge dann wahrscheinlich der Vorsatz hervor, das neue Jahr mit besseren Handlungen zu beginnen, stets auf der Hut zu sein, nichts Unrechtes zu tun und alles andere ganz Mir zu überlassen, mit dem Bemerken, dass, schicke Ich Gutes, der Mensch bekennen soll, er habe es nicht verdient, schicke Ich Schlechtes, er selbes nicht als Strafe, sondern als Prüfung geduldig ertragen soll.
So wäre dann eine geregelte Abrechnung zwischen „Haben“ und „Sollen“ abgeschlossen, und der Mensch ginge ruhig allen Ereignissen entgegen, welche das kommende Jahr bringen wird; denn er vertraut nur auf Mich; was Ich ihm gebe, ist ihm recht, und was Ich ihm nehme, verdient er ebenfalls, von Mir kommend, als Heilmittel, um besser zu werden.
Seht, auf diese Art sollt ihr alle, Meine lieben Kinder, am Neujahresabend eure Rechnung mit dem vergangenen Jahr abschließen; dann komme Ich dazu, und wünsche euch als Glückwunsch für das neue Jahr, bei euren Vorsätzen streng auszuharren und nicht zu wanken.
Dieses ist Mein Neujahreswunsch! Denn ihr müsst dabei bedenken, dass mit jedem Neujahr auch wieder ein Jahr mit all seinen guten und schlechten Handlungen ins Meer der Zeit hinabgeflossen ist, und ihr aber um einen Schritt dem Ende eurer Lebensbahn näher gerückt seid.
Wie viele wünschen sich alles Erdenkliche am Neujahrestag, welche beim nächsten schon unter der Erde modern und deren Seele den Lohn für ihr Erdenleben bereits erhalten hat. Auch euch rufe Ich zu: „Wer weiß denn von euch, ob Ich nicht bis zum nächsten Jahr Einen oder den Anderen aus eurer Mitte abrufe?“
Also was geht aus dieser Betrachtung hervor? Es geht hervor, dass ihr diese Gewissenserforschung, wie Ich selbe oben nannte, nicht so leicht nehmen sollt, sondern im größten Ernst; denn das zur Rechenschaft ziehen von Meiner Seite wisst ihr nicht, wann Ich es vollführen will; bereitet euch daher auf alle Fälle vor, und dann legt euch ruhig zu Bett; denn dann seid ihr bereit, und auch das Ärgste vom menschlichen Standpunkt aus genommen, der Tod, kann euch nicht überraschen, denn er, statt euch augenscheinlich zu vernichten, wird euch erst zum ewigen Leben auferwecken.
So, Meine Kinder, bedenkt diesen Jahreswechsel, damit er für euer Herz heilsam werde; denkt doch nur, dass hinter diesem Scheinleben (der Probung) noch ein großes Geisterleben existiert, als das eigentliche, und wohlbemerkt, das ewige Leben. Hier gilt alles für vergänglich; dort aber trägt alles einen bleibenden Typus.  
Nachdem also dort der größere, längere Aufenthalt stattfindet, so ist es doch natürlich, dass man bei einem vorübergehenden Scheinleben nur das längere, künftige im Auge haben muss, und man das kürzere nur dazu benützt, um sich für das große, ewige Geisterleben vorzubereiten und sich für dasselbe würdig und tauglich zu machen.
Daher arbeitet Jahr aus Jahr ein an eurem Seelenheil, damit am Ende eines jeden Jahres keine großen Lücken und schwer auszufüllenden Scharten bleiben; so verbessert ihr stets euren geistigen Leib, und während der materielle nach und nach der Auflösung oder seinem Ende entgegengeht, so kommt ihr tüchtig und gerüstet zum Anfang des anderen, nie endenden, seligen Lebens.
Dieses Vorwärtsschreiten wünsche Ich als Vater euch: Trachtet, Meine Kinder zu werden, und zwar so weit es möglich schon auf Erden, damit euch in der anderen Welt der Weg zu Mir nicht mehr so lang sein wird.
Dieses ist Mein Neujahreswunsch, und Ich gebe euch allen Meinen Segen dazu, zur Bekräftigung im Kampf mit dem Scheinleben, damit ihr dann bald von Angesicht zu Angesicht schauen mögt Den, der euch am scheidenden Jahrestag dieses als euer liebender Vater zuruft. Amen!


Quelle: Betrachtungen an Weihnachten nebst Worten zum Jahreswechsel, Erscheinungsfest, Geburtstag, Carneval, Tanz und Frühling, Neu-theosophische Schrift Nr. 44, Kundgabe vom 19. Dezember1870


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