EHE UND FAMILIE
Über Kindererziehung
Schon wieder fleht Mich durch deine Vermittlung ein Kind um Trost und Hilfe an, weil es sich nicht recht zu richten weiß in Beziehung der Kindererziehung, und eben deswegen stets im Widerspruch mit den Ideen ihres Mannes ist.
Nun, wie Ich stets die Dinge so leite, dass die Menschen am Ende doch zu Mir kommen müssen, wenn sie bei der Welt und den in ihr herrschenden Ansichten und Meinungen nicht zurechtkommen, so ist es auch hier.
Diesen beiden Ehegatten, die in dieser Beziehung nicht den rechten Weg einzuschlagen wissen, will Ich nun mit einigen Worten die rechte Bahn und das rechte Auffassen Meiner Worte und Lehren zeigen, damit auch sie nicht allein dieselben mit Freuden lesen, sondern auch werktätig selbe in Meinem Sinn ausführen lernen. So hört denn Meine lieben Kinder:
Es ist eine alte Sache, dass Kinder zeugen und sogar selbe gebären viel leichter ist, als solche gerecht erziehen. Bei ersteren beiden Akten ist Meine Hilfe und Mein Zulassen der Hauptfaktor, bei dem letzteren aber überlasse Ich das Meiste den Menschen selbst, weil Ich, indem Ich den Eltern eine solche kleine Pflanze Meines geistigen Gartens übergebe, ihnen indirekt auch dabei Gelegenheit verschaffe, erstens ihre eigenen guten Eigenschaften in die Kinder zu verpflanzen, die bösen eigenen dort zu vermeiden, und endlich für sich selbst eine Schule der Geduld und Resignation durchzumachen, welche ihnen mehr zugutekommt als den Kindern selbst.
Und so, wenn Ich Eltern Kinder schenke, ist es mehr um der Forterziehung der Eltern für Mein Reich halber, als der Kinder wegen, die dann auf Mir nur bekannten Wegen ihre neue Laufbahn mit deren Freuden und Leiden auch durchmachen müssen, wie jeder auf Erden Geborene.
Damit aber diese Kinder nicht so ganz in vernachlässigtem Zustand in die Welt hinaus gestoßen werden, so liegt es eben an den Eltern, ihnen diese körperliche und geistige Unterstützung zu geben, die sie selben schuldig sind, weil die Kinder ja ohne das Zutun der Eltern gar nicht auf die Welt gekommen wären.
Nun diese Erziehung der Kinder, besonders die geistige, wird oft durch übergroße Strenge und übergroße Liebe verdorben, und auf die eine oder andere Weise solch zartes Pflänzchen einer höheren Geisterwelt wenigstens auf so lange vom rechten Weg abgeleitet, bis Ich, aber nur durch energische Mittel, den krumm gewachsenen Baum wieder gerade aufrichte, damit seine Äste, Blätter und Blüten der Licht- und nicht der Schattenseite des geistigen Lebens zugekehrt werden.
Um also ein Kind erziehen zu wollen nach dem Mir wohlgefälligen Sinn, muss man nicht dem Kind eine Gedanken- oder Ideenassoziation aufdrängen, die ja nur der reifere Verstand beim Erwachsenen hervorbringt, und das erst nach vielen traurigen Erfahrungen, sondern, um die Kinder etwas zu lehren, und es ihnen begreiflich zu machen, muss man ihre Sprache, ihre Denkungsweise annehmen, sich mit ihnen auf gleiches Niveau setzen, damit sie das begreifen lernen, was sie später als Gesetz anerkennen sollen.
Ebendeswegen ist der erste Grundsatz, wollt ihr Kinder erziehen, werdet zuerst selbst Kinder. Das Kind hat Neugierde, will alles wissen, fragt bei allem um das Warum. Auf diese Fragen zu antworten, müssen die Eltern in Kindessprache antworten, den Kindern nicht allein befehlen, du sollst das oder jenes tun, sondern es ihnen – aber wohlgemerkt, auf eine ihnen begreifliche Weise – nachweisen, warum das oder jenes verboten oder erlaubt ist.
Die Eltern müssen aber auch stets dabei mit dem Beispiel vorangehen, denn wenn das Kind seine eigenen Eltern nicht befolgen sieht was ihm geboten wird, wie soll es dann den Lehren Glauben schenken, die ihm oft unter allen Androhungen geboten werden.
In dieser Hinsicht also mit Liebe und Vertrauen zu Werk gegangen, dieses wird auch bei den Kindern nicht Furcht vor Vater und Mutter, sondern die nämlichen Triebe gegen selbe erwecken, mit welchen man ihnen entgegenkam.
Dass aber in dieser Art zu erziehen, die Liebe manchmal zu blind oder die Strenge zu groß ist geht aus dem Fehler hervor, weil die eigenen Eltern nur andere bessern wollen und ganz vergessen, wie sie selbst erzogen wurden, wo sie jetzt im erwachsenen Zustand wohl beurteilen können, was in ihrer Jugend recht und was unrecht angewendet war.
In der Vergangenheit liegt immer der Schlüssel der Zukunft und das Wort gegründet, was du nicht willst, dass man dir tut, das füge nicht anderen zu.
Also deswegen Meine lieben Kinder, denkt an eure eigene Jugend zurück, dort werdet ihr die Lösung der Frage wegen der Erziehung eurer Kinder finden; lasst euren Kindern angedeihen was auch euch zum Besten war, und vermeidet bei ihnen, was auch vielleicht bei euch bis heute noch bittere Erinnerungen zurückgelassen hat.
Verbindet Strenge mit Milde, lasst die Liebe walten, aber vergesst dabei nicht, dass Liebe sehr leicht ausartet, zu weich, zu nachsichtig wird, und Strenge nie zur Liebe, sondern nur zur Furcht und zum Misstrauen führen muss. Seht Mich an! Wie erziehe Ich denn Meine Kinder? Denn ihr müsst annehmen, dass auch ihr so unmündig und kurzsichtig und unerfahren seid im Vergleich zu Mir wie eure Kinder zu euch.
Seht, Ich gebe euch Worte, die ihr verstehen könnt, Lehren, die ihr begreifen, ausführen könnt, und die euren Kräften angemessen sind. Ich spreche nicht mit euch aus Meiner höchsten Weisheit, denn das wären spanische Dörfer für euch; Ich rede mit Meinen Kindern kindlich, weil Ich Liebe und Vertrauen in ihnen erwecken will, dass sie Mich nicht als Vater fürchten, und vor Meinem Erscheinen zittern, sondern dass sie vertrauensvoll sich von meiner Hand leiten lassen, und sogar das Unangenehme und Bittere, was ihnen auf ihrer Lebensbahn begegnet, nicht als Strafe von Mir, sondern höchstens als Folge eigener Fehler ansehen lernen. So müsst auch ihr eure Kinder erziehen, ihnen mit Ruhe begreiflich machen, was nicht erlaubt, nicht möglich, warum es nicht erlaubt, nicht möglich, und am Ende ihnen selbst schädlich ist, und noch schädlicher werden kann. Lehrend müsst ihr eure Kinder dahin leiten, wohin ihr selbst gelangt seid.
Das Kind muss den Vater oder die Mutter als ersten und aufrichtigsten Freund erkennen, der nie etwas anderes wollen kann als sein Bestes. Auf diese Art werdet ihr nach und nach die Kinder zu guten Menschen erziehen, und so auch sogar eine Züchtigung nötig sein sollte, so wird das Kind selbe so aufnehmen, in welchem Sinn sie gegeben wird, da es selbst schon im Voraus weiß, dass es selbe verdient hat.
Es ist beim geistigen Leben eines kindlichen Herzens wie bei den Speisen im Magen; zu süß oder zu bitter und sauer erzeugen den nämlichen Effekt, beide schwächen das Verdauungsvermögen, das eine durch Erschlaffung, das andere durch Überreizung.
So ist es auch durch Anwendung von zu vielen Liebesbezeugungen oder Anwendung zu großer Strenge; ersteres verwöhnt die Kinder mit lauter zu Gutem, wo sie dann das geringste Unangenehme nicht ertragen wollen, und Letzteres stumpft am Ende die Seele so ab, dass ebenfalls, wie bei zu großer Überreizung, die Gleichgültigkeit gegen alles das Endresultat ist.
Trachtet also, den Mittelweg beizubehalten, versüßt nicht durch zu große Zärtlichkeit den Kindern das Leben, denn ihr wisst es aus Erfahrung selbst, dass das Leben im Ganzen wenig Trostreiches bietet, wenn der Mensch nicht im Inneren eine unversiegbare Quelle des geistigen Schatzes hat; gewöhnt selbe vielmehr an Entbehrungen, lehrt sie aber das Warum, damit sie den Grund einsehen, zuerst sich Opfer aufzulegen euch zu lieb, und später dann begreifen zu lernen, dass alles dieses euch wenig, ihnen selbst aber das Meiste gefruchtet hat.
Es liegt in der menschlichen Natur als geistigem Wesen begründet, dass man zuvor einsehen lernen muss, warum das eine oder andere getan, oder vermieden werden solle; denn ohne dieses erste Vernunftgesetz entwürdigt sich der Mensch zur Maschine, verliert seine geistige Individualität, und ebenso wenig als Ich Meine Kinder zu Maschinen machen will, was Ich doch leichter könnte als wie ihr, eben deswegen erzieht auch ihr eure Kinder so, dass sie geistig kräftig emporwachsen, Liebe, Sanftmut, Vertrauen und alle Tugenden sich eigen machen, die ihr selbst als die höchsten schätzt.
Nur auf diese Art erzieht ihr euch künftige Freunde für euer späteres Alter und dankbare Herzen.
Nehmt ein Beispiel an Mir, mit wie viel Liebe und Geduld führe nicht Ich die Menschen, lasse Gnade für Recht ergehen, sehe geduldig zu, wie die armen, verirrten Menschen sich alles mögliche Unangenehme selbst zuziehen, an dessen traurigen Folgen sie dann selbst schuld sind, sie aber gewöhnlich glauben, als hatte Ich sie gestraft.
Überall leite Ich durch Liebe! Seht euer eigenes Schicksal, welche unmündige, blinde und verirrte Kinder ihr selbst wart. Seht zurück, wie habe ich euch geleitet, war es mit Strenge, mit Zorn, mit Befehlen? Gewiss nicht, es war mit Liebe, mit väterlichen Mahnungen; Manches legte Ich euch ins Herz, wo ihr am Ende nicht Mir, sondern euch selbst die Schuld geben musstet, wenn es nicht so ausfiel wie ihr gehofft.
Und wenn ihr über dies Geschehene, Erlittene nachdenkt, habt ihr das Vertrauen oder die Liebe verloren? Nein! Sondern seit Ich Meine Worte euch angedeihen ließ, seit Ich euch erkläre, beweise, dass alles, wenn auch bitter, doch zur großen Genesung, zur großen Weiterreise im ewigen Jenseits gehört, jetzt hängt ihr noch mehr an Mir wie zuvor, denn das Vertrauen, die schönste Blume der Liebe, blüht in euren Herzen, mit Zuversicht ergebt ihr euch in Meine Fügungen, weil ihr überzeugt seid, ein Vater kann nicht strafen, sondern wenn es auch den Anschein der Strafe hat nur liebend bessern!
So haltet es auch bei euren Kindern, mäßigt die zu große Liebe und Nachsicht, sowie auch die Strenge. Bedenkt, es sind Kinder, nicht Erwachsene, die ihr erziehen müsst, sprecht mit kindlichen Worten zum kindlichen Herzen, und das Kind wird euch verstehen; seid nicht immer in Hader und Streit miteinander, vergebt auch ihr euch, wenn euch von Mir vergeben werden soll; verlangt nicht von Kindern, was ihr selbst noch nicht fähig seid, das ist, dass die Kinder sich in ihrem Ungestüm zähmen sollen in ihrer Jugend, was ihr im reifen Alter nur zur Not vermögt.
Messt nach eigenem Maß und gebt noch die Unerfahrenheit und größere Lebenstätigkeit, aber kleinere Überlegungskraft der Kinder als Zuwaage, und ihr werdet erstens zwischen euch beiden die Harmonie der Seelen wieder herstellen, und dieses Friedensleben wird sich auch auf das Leben mit euren Kindern übertragen.
Sehen die Kinder ihre Eltern in Friede und Eintracht miteinander leben, so werden auch sie unter diesem Einfluss weder bei dem einen noch beim anderen Schutz suchen wollen, wenn die gerechte Rüge wegen unrechter Tat sie trifft, sie werden das Verdiente stillschweigend annehmen, weil sie wissen, die Belehrung oder Mahnung, die ihnen von euch beiden geworden, war eine verdiente.
Ich habe euch Kinder gegeben, damit ihr euch in den Tugenden der Nachgiebigkeit, Sanftmut und Toleranz üben sollt, und diese Schule führt euch vorwärts Meine Kinder zu werden, die Ich ebenfalls auch nicht anders erziehe als wie ihr die eurigen zu erziehen habt, d.h. mit Liebe und nur mit Liebe.
Dieses merkt euch und bedenkt es wohl. Seht zuvor den Balken im eigenen Auge ehe ihr daran denkt, den Splitter im fremden auszuziehen. Dieses mit Meinem Segen euch beiden. Amen.
Quelle: „Allgemeine und besondere Lebenswinke für innere und äußere Verhältnisse und Zustände“, Neu-theosophische Schrift Nr. 39, Kundgabe v. 30. März 1871