Gottfried Mayerhofer - Predigten des Herrn - Gottfried Mayerhofer

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PREDIGTEN DES HERRN
- Originaltext nach der Erstausgabe von 1892 -
48.
Am zweiundzwanzigsten Sonntag nach Pfingsten

Die Frage nach dem Zinsgroschen
Matthäus 22,15-22: Da gingen die Pharisäer hin und hielten einen Rat, wie sie ihn fingen in seiner Rede. Und sandten zu ihm ihre Jünger samt des Herodes Dienern. Und sie sprachen: Meister, wir wissen, dass du wahrhaftig bist und lehrst den Weg Gottes recht und du fragst nach niemand; denn du achtest nicht das Ansehen der Menschen. Darum sag uns, was dünkt dich: Ist's recht, dass man dem Kaiser den Zins gebe, oder nicht? Da nun Jesus merkte ihre Schalkheit, sprach er: Ihr Heuchler, was versucht ihr mich? Weist mir die Zinsmünze! Und sie reichten ihm einen Groschen dar. Und er sprach zu ihnen: Wes ist das Bild und die Überschrift? Sie sprachen zu ihm: Des Kaisers. Da sprach er zu ihnen: So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist! Da sie das hörten, verwunderten sie sich und ließen ihn und gingen davon.


Empfangen am 29. April 1872

Die Versuchung der Pharisäer

Dieses Kapitel ist ebenfalls voller Gleichnisse, die Ich den Pharisäern und Schriftgelehrten vortrug, um ihren Einwürfen gegen Meine Lehre richtig zu begegnen.
Die Frage: Ist es erlaubt, dem Kaiser Zins zu geben? war eben wieder eine jener Fallen, die Mir die Pharisäer legten, um durch eine unvorsichtige Antwort Mich mit der weltlichen Obrigkeit zu verwickeln.
Die Römer als die Herren des Landes kümmerten sich nur um ihre politische Oberherrschaft im Judenland, aber nicht um die religiösen Fragen, um Reformatoren, Propheten, ja selbst nicht um den erwarteten Messias, solange dieses alles sich auf das rein Kirchliche beschränkte und nicht ins Politische hineinreichte. Deswegen war es den Pharisäern hauptsächlich darum zu tun, eine Frage zu finden, bei deren Beantwortung Ich unmöglich das Politische umgehen und so sich eine Gelegenheit ergeben konnte, mit der weltlichen Obrigkeit in Widerspruch zu geraten; denn wäre Meine Antwort nach ihrem Wunsch derart gewesen, dass sie dem Volk die Steuererhebung von Seiten der Römer als zu drückend und ungerecht hingestellt hätte, so hätten sie Mich der Aufreizung des Volkes gegen die Römer beschuldigt und hätten Meine Verurteilung verlangt; damit aber der Schein [der Verdacht] nicht auf sie als die Angeber [Anstifter] fiele und sie auch Zeugen hätten, so schickten sie ihre Jünger samt einigen Dienern des Herodes zu Mir.
Ich muss zugeben, die Frage war verfänglich; und da eben die Römer nicht die rechtmäßigen Herren, sondern durch einen Gewaltakt sich zu Besitzern dieses Landes gemacht und sich somit den Juden aufgedrängt hatten, so vermuteten die Pharisäer, dass Ich bei Meiner Wahrheitsliebe und als geborener Jude so wie sie dieser Fremdherrschaft entgegen sein werde.
Ich aber, der Herzen und Nieren prüft und wohl wusste was die Pharisäer wollten, antwortete ihnen auch mit wenigen Worten so, dass eine weitere Frage ihrerseits unmöglich wurde, denn in der Antwort: Gebt dem Kaiser was des Kaisers, und Gott was Gottes ist, lag schon die ganze Erklärung, wie Ich sie auch als Der, Der Ich war, nicht anders geben konnte, die aber nicht ihren Erwartungen entsprach; denn da Ich ihnen auf der Mir dargereichten Münze einerseits das Bildnis des Kaisers, andererseits seine Überschrift gezeigt hatte, so war damit auch gesagt: Dieses Bildnis auf der einen Seite der Münze zeigt euch wessen Untertanen ihr seid, und wenn ihr die Bedeutung dessen nicht kennt, so lehrt es euch die Aufschrift auf der anderen Seite. Das Geld ist das Mittel, womit ihr eure irdischen Bedürfnisse befriedigt, das Geistige aber ist erhaben über alle Münzen und hat einen anderen Grund und ein anderes Ziel. Damit schied Ich streng den pflichtmäßigen Tribut der weltlichen Macht von dem des Geistigen.
Meine an sie gerichtete Antwort sollte ihnen sagen: Mit den Abgaben an den Kaiser erkauft ihr euch eure weltliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit nach außen, aber mit den geistigen Abgaben verschafft ihr euch die göttliche Ordnung in eurem Inneren, die Ruhe eures Gewissens und die Sicherheit im Handeln zum Heil eurer Seele; und so erlangt ihr auf beiden Wegen das gleiche Ziel, dort im Weltlichen, und hier im Geistigen.


Zu unseren Pflichten

Was Ich nun damals den Pharisäern sagte, das hat auch für jetzt und alle kommenden Zeiten seine Geltung solange Menschen beisammen leben und solange noch Religion und Glauben an ein höchstes Wesen in ihren Herzen wohnen werden. Sowohl in weltlicher als auch in geistiger Beziehung muss es ein Oberhaupt, das der Gesetzgeber, Ordnungsstifter und Erhalter ist, geben. Mögen die staatlichen Einrichtungen wie immer geartet sein, stets wird einem die höchste Gewalt übertragen werden; ebenso gibt es auch in geistiger Beziehung nur einen Regenten, und das bin Ich.
Auf Erden hat es immer Menschen gegeben, die als Herrscher ihre Macht missbrauchten und wieder andere, die keine Macht über sich anerkennen wollten, die sie in ihrem Tun und Lassen hindern konnte. Dies ist ebenso natürlich als es Menschen und Völker gegeben hat und noch gibt, denen ein einziger Gott nicht genügt, und die sich mehrere Götter denken, die mit menschlichen Leidenschaften behaftet sind, und sie sie deshalb auch gut heißen oder die einem menschlichen Beschluss den Stempel des Göttlichen aufdrücken sollten; und wieder andere, die gar keinen Gott als den ihres eigenen Ichs anerkennen wollen.
Und doch müssen die Menschen stets den Zinsgroschen zahlen, sie mögen es machen wie sie wollen indem sie dem weltlichen Herrscher einen Teil ihres Erwerbs zu opfern gezwungen, und Gott, dem geistigen Herrscher, einen Teil oder besser alle ihre Leidenschaften opfern sollen, wollen sie bei ersterem im guten Ansehen und bei Gott das Ziel erreichen das Er dem Menschen gesetzt hat, das ist die Wiedervereinigung mit Ihm Selbst.
Überall folgt beim Nichtbezahlen Strafe, hier weltliche, dort geistige, und so musste Ich auch den Pharisäern sagen: Gebt dem Kaiser was des Kaisers, und Gott was Gottes ist, d.h.: Erfüllt eure Pflichten, die ihr gegen den Staat und die Gesellschaft, als auch die ihr gegen Gott habt; erkennt eure Stellung als Menschen zu euren Nächsten und den weltlichen Herrschern, vergesst aber auch nicht der Verpflichtungen, die ihr gegen Den habt, Der euch in die Welt gesetzt und euch Talente anvertraut hat, von denen Er einst den Zehnt oder Zinsgroschen fordern wird. Ihr könnt euch der weltlichen Verpflichtungen ebenso wenig als der geistigen entledigen, aber vermengt nicht beides sondern sucht auch ihr dem Kaiser zu geben was des Kaisers, und Gott was Gottes ist, d.h. ihr dürft nicht ganz Geist sein wollen solange ihr noch im Körper diesen Erdenball bewohnt, aber auch niemals eure geistige Würde einbüßen beim Zahlen des weltlichen Tributs.
Es ist jeder Zeit, sowohl im irdisch-materiellen wie im höchsten Geisterleben nötig, die rechte Mittelstraße zu kennen und zu gehen, denn durch Übertreibungen nach der einen oder der anderen Seite kann man niemals nützen sondern nur sich und anderen Schaden.


Rechter Gebrauch des Materiellen zur Förderung des Geistigen

Daher beachtet auch ihr dieses Wort an die Pharisäer wohl, das wieder euer ganzes irdisches und künftiges Leben beleuchtet, damit nicht eine falsche Auffassung verkehrte Erfolge hervorbringe.
Seht, selbst die Liebe als Liebe allein wäre dem Liebenden wie dem Geliebten nur verderblich, wenn sie nicht durch die Weisheit geleitet und in Schranken gehalten würde; und so ist es mit allen anderen Tugenden, sobald sie über die Grenze des Möglichen hinausführen wollen.
Gebt der Welt was der Welt und was sie von euch zu verlangen berechtigt ist, aber gebt auch Gott was Gottes ist, d.h. kommt den Verpflichtungen nach, welche ihr gegen den Staat und gegen die Gesellschaft sowie gegen eure Vorgesetzten und gegen euren Körper selbst durch euer Körperleben übernommen habt, bedenkt aber auch, dass ihr eine Seele habt, deren Läuterung und Vervollkommnung euch obliegt. Betrachtet die irdischen Güter, die euch Gott geschenkt hat, nicht als ein Mittel zum Wohlleben, sondern verwendet selbe weise für eure irdischen und körperlichen Bedürfnisse soweit ihr dazu derselben bedürft; sucht aber auch selbe dazu zu verwenden Anderer Not zu lindern und euch geistige Schätze zu sammeln, um auch davon an geistig Arme und Notleidende austeilen zu können.
Die Welt und ihre Mittel wurden ja von Gott erschaffen zu einem Hilfsmittel um die unreinen Triebe seiner Wesen zu läutern und die geistigen Eigenschaften derselben wieder zu beleben und zu kräftigen, um so veredelt zu ihrem geistigen Ursprung wieder zurückkehren zu können.
Der Welt muss der Tribut gegeben werden, denn nur durch sie kann man zum Geistigen gelangen; wer die Qualen der Finsternis kennengelernt hat, der weiß die Wonnen des Lichts, und wer das Vergängliche, Weltliche kennt und ihre Leiden durchgemacht hat, das Unvergängliche, Geistige und ihre Freuden zu schätzen.
Der Zinsgroschen, den ihr der Welt schuldet, besteht darin, dass ihr das materielle Gut zur Erwerbung geistiger Güter durch Ausübung der Liebe verwendet, indem ihr eine geklärte Ansicht über den Wert beider gewinnt; deshalb muss der Zinsgroschen der Welt reichlich fließen, damit dadurch viele geistige Schätze erworben werden können; denn wie der Zinsgroschen an den Kaiser dazu dient den Untertanen Ruhe zur friedlichen Arbeit zu verschaffen, damit sie für ihr Wohl und das ihrer Familie sorgen können, so wird auch der Seele durch den Zinsgroschen den sie Gott darbringt, die Liebe, die sie ausübt, Ruhe und Friede zur weiteren geistigen Vervollkommnung werden.
So ist das irdische Leben nur die Grundlage eines höheren Baus, der auf den rohen Steinen der materiellen Wirklichkeit angefangen, in den letzten geistigen Lichtelementen einer anderen, höheren Welt enden soll. Auf diese Art soll das materielle Weltliche das geistige Leben der einzelnen Menschen fördern; und das ist auch der eigentliche Zweck, warum Ich euch in die Welt setzte, warum Ich euch mit guten und bösen Trieben ausrüstete, damit in der Bekämpfung der bösen die guten sich stärken und wachsen, und ihr einst so vergeistigt zu Meinem Ebenbild werdet.
Beachtet daher dieses Wort, das Ich euch in diesem Evangelium gegeben habe, denn in ihm liegt des Tiefen viel, woraus der Umsichtige und Verständige Regeln für sein ganzes Leben ziehen kann, damit er nicht in Übertreibungen verfalle, sondern den rechten Mittelweg wandeln lerne, indem er der Welt das gibt was der Welt ist, und dem Geist was dem Geist gehört und so seine Mission und Meinen Zweck erfülle, weswegen Ich überhaupt Geister und Materie erschuf, und Geistiges, obschon an die Materie gebunden, getrennt in den Schöpfungsraum hinausgestellt habe.
So trachtet auch ihr danach, indem ihr immer den Mittelweg zu wandeln sucht dazu beizutragen, dass das Materielle immer mehr vergeistigt werde, damit die Früchte Meines einstigen Wandelns auf eurer Erde bei Meinem Wiederkommen in eurer und der Menschheit Vergeistigung sich zeigen, wo es sich dann herausstellen wird, was ihr dem Kaiser und was Gott gegeben, und inwiefern dies nach rechtem Maß und Gewicht geschah.
Eine Vereinigung mit Mir und Meiner geistigen Welt ist nur dann möglich wenn ihr fähig geworden seid auch das Geringste Meiner Worte im wahren, tiefen und geistigen Sinn aufzufassen, wodurch euch immer mehr und mehr gezeigt wird, was der Welt oder des Kaisers, aber auch was Mein oder Gottes ist, und wie beides, obwohl getrennt, doch vereinigt werden kann, wenn zum rechten Verständnis auch die rechte Ausführung kommt. Amen.


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