Gottfried Mayerhofer - Predigten des Herrn - Gottfried Mayerhofer

Direkt zum Seiteninhalt
PREDIGTEN DES HERRN
- Originaltext nach der Erstausgabe von 1892 -
44.
Am achtzehnten Sonntag nach Pfingsten

Die Heilung eines Gichtbrüchigen
Matthäus 9,1-8: Da trat er in das Schiff und fuhr wieder herüber und kam in seine Stadt. Und sieh, da brachten sie zu ihm einen Gichtbrüchigen, der lag auf einem Bett. Da nun Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Gichtbrüchigen: Sei getrost, mein Sohn; deine Sünden sind dir vergeben. Und sieh, etliche unter den Schriftgelehrten sprachen bei sich selbst: Dieser lästert Gott. Da aber Jesus ihre Gedanken sah, sprach er: Warum denkt ihr so arges in euren Herzen? Welches ist leichter zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben, oder zu sagen: Steh auf und wandle? Auf dass ihr aber wisst, dass des Menschen Sohn Macht habe, auf Erden die Sünden zu vergeben (sprach er zu dem Gichtbrüchigen): Steh auf, heb dein Bett auf und geh heim! Und er stand auf und ging heim. Da das Volk das sah, verwunderte es sich und pries Gott, der solche Macht den Menschen gegeben hat.


Empfangen am 25. April 1872

Jesus Absicht mit Seinen Wunderwirkungen

Dieses Kapitel aus dem Evangelium Matthäi gibt euch wieder Kunde von mehreren Wundern, die Ich gewirkt  habe, und erzählt euch auch wie Ich den Einwürfen und Bemerkungen der Pharisäer, mit denen sie Meine Lehr- und Handlungsweise stets bekrittelten, entgegentrat.
Schon das erste Wunder, das Ich an dem Gichtbrüchigen verübte, brachte sie in Eifer, da, ehe Ich ihn heilte, Ich zu ihm sagte: Deine Sünden sind dir vergeben. Ich vergab dem Gichtbrüchigen die Sünden erstens wegen seines Glaubens und seiner festen Überzeugung, die er wie auch seine Verwandten und Bekannten hatte, dass Ich ihn heile könne, und zweitens vergab Ich ihm die Sünden vorerst, da er, so wie die meisten Kranken, sich das Übel selbst zugezogen hatte, indem er gegen seine Natur gesündigt hatte und nun die Folgen davon tragen musste.
Die Pharisäer glaubten, nur dem Hohepriester und ihnen stehe das Recht zu Sünden zu vergeben und betrachteten Meine Handlungsweise als eine Anmaßung; deshalb ihre Erregung, da sie meinten, Ich greife in ihren priesterlichen Rechte ein. Ich zeigte ihnen aber, dass Ich nicht nur im wahrsten Sinn die Sünden vergeben konnte sondern dass Ich auch die Macht besaß die Folgen der Sünden zu heilen, was eben sie nicht konnten.
Deshalb waren sie voll Hass und Neid weil Ich das Volk durch so schlagende Taten, die für Mich zeugten, für Mich gewann und so nach und nach von ihnen entfernte.
In jener Zeit war es notwendig Meine Worte durch solche Taten zu bekräftigen und deren Wahrheit zu beweisen, da die Masse des Volks noch nicht auf jener Bildungsstufe stand um durch geistige Beweisgründe allein auf den Weg des Heils gelangen zu können; und so seht ihr durch das ganze Evangelium, wie Ich überall die falschen Ansichten Meiner Umgebung zu berichtigen und dadurch ihre geistige Krankheit zu heilen suchte, und wie Ich auch durch Taten die Wahrheit Meiner Lehre bekräftigte.
Es bestanden zu jener Zeit, sowohl unter dem Judenvolk wie auch unter seinen Priestern, noch viele falsche Ansichten und Vorurteile, die Ich erst beseitigen musste, wollte Ich Meiner Lehre Eingang verschaffen. Ich musste die falschen Ansichten über das Geistige durch Worte widerlegen und zum Beweis der Wahrheit und Meiner Macht diese auch durch entsprechende Taten bekräftigen. Deshalb tat Ich, wie auch Meine Jünger, oft gerade das Gegenteil von dem was die jüdischen Gesetze vorschrieben, damit das Volk dadurch aufmerksam gemacht würde, dass Haltung der Tempelgesetze dem Wortlaut nach noch nicht dasjenige sei was Moses, was die Propheten und was Ich Selbst wollte.
So arbeitete Ich daran, alle missverstandenen Gebräuche nach und nach auf ihren rechten Wert zurückzuführen um so Meiner rein geistigen Lehre Platz zu machen. Deswegen sprach Ich Worte wie: Die Gesunden bedürfen des Arztes nicht, wohl aber die Kranken; Ich habe Wohlgefallen an Barmherzigkeit und nicht am Opfer; Ich bin gekommen, die Sünder zur Buße zu rufen und nicht die Frommen; und bei dem Einwurf wegen des Fastens: Wie können die Hochzeitsleute Leid tragen solange der Bräutigam unter ihnen ist, es wird aber eine Zeit kommen, da der Bräutigam ihnen genommen wird, alsdann werden sie fasten; niemand flickt ein altes Kleid mit einem Fleck von neuem Tuch; man fasst nicht Most (jungen Wein) in alter Schläuche usw.
Aus allem diesem erseht ihr wie Ich in verschiedener Weise durch Taten, Worte und Gleichnisse die alten Vorurteile bekämpfte, damit Meine Lehre als geistige anerkannt werde, die nicht durch das Mitmachen von Zeremonien und durch den Tempeldienst ersetzt werden könne und so Mein Wort Wahrheit werde: Wer Mich anbeten will, der muss Mich im Geist und in der Wahrheit anbeten.
Auch Meine Jünger wollte Ich zu Mitarbeit anregen, indem Ich ihnen die vielen verirrten Kinder zeigte und ihnen sagte, dass die Ernte groß, aber wenig Arbeiter seien, und sie ermahnte: Bittet den Herrn der Ernte, damit Er Arbeiter in seine Ernte sende.
Doch nun zurück zur Heilung des Gichtbrüchigen. Bei der Heilung desselben sagte Ich zuerst zu ihm: Deine Sünden sind dir vergeben, da seine Krankheit von Sünden gegen seinen eigenen Körper herrührte. Ich vergab ihm dieselben, denn er wusste nicht, dass er sich das Übel durch die Jagd nach sinnlichen Genüssen selbst zugezogen hatte, und eben deswegen, da er seine Sünden noch nicht zu begreifen, viel weniger zu bereuen vermochte, so sagte Ich ihm auch nicht wie Ich es bei anderen Gelegenheiten tat: Geh hin und sündige hinfort nicht mehr. Meine plötzliche Heilung an ihm bloß durch Mein Wort sollte ihn vorerst nur zum tieferen Nachdenken bringen und sollte ihm beweisen, dass nicht das was ihm so viel Vergnügung verursacht hatte, das eigentliche Wertvolle am Leben des Menschen sei, sondern dass es noch etwas Höheres, Geistigeres gibt, welches ihm besseres zu bieten imstande ist als es der bloße Sinnesreiz vermag.
Ich beabsichtigte auch, mit Meinen Worten den kranken Gichtbrüchigen zu erhöhen und den Stolz der Pharisäer zu demütigen, damit sie im Hinblick auf Meine Tat ihre Ohnmacht fühlen sollten, da sie nicht imstande waren ihren Worten durch Taten solchen Nachdruck zu geben wie Ich, und Taten sprechen immerfort während Worte verhallen.
Und so waren viele Meiner Worte, die Ich bei verschiedenen Anlässen sprach, stets dahin gerichtet, den aufgeblasenen stolzen Menschenverstand in seine Grenzen zu weisen, damit er sich demütige und sich vor der hohen Macht des Geistes beuge.


Kreuz tragen und Schwächen ablegen

Alles, was Ich damals gesprochen und getan habe, wiederholt sich jetzt zu eurer Zeit im geistigen Sinn wie es auch zu allen Zeiten seine geistige Bedeutung und Anwendung haben wird. Gichtbrüchige, Blinde, ja Tote gibt es überall, und ebenso geistig Lahme ob der falschen Richtung ihrer Seele, die sich an Dinge vergänglicher Natur hängt und das Geistige hinten ansetzt oder gar verachtet. Die verkehrten Ansichten über Geist und Materie und die daraus hervorgehenden verkehrten Handlungen, also die Sünden aus Unwissenheit, das sind die Sünden, die Ich tagtäglich vergeben muss, wenn die Menschheit nicht größtenteils zu Grunde gehen soll.
Auch jetzt geschehen Wundertaten eures Vaters in der Welt in Menge, aber die Menschen suchen alle Natur- und politischen Ereignisse mit ihrem Verstand auf ganz natürliche Ursachen zurückzuführen und bemerken dabei selten, wie Ich ihnen stets selbst aus der Schlinge helfe, wenn sie sich in ihrer vermeinten Klugheit durch ein Gewirr von falschen Annahmen in verhängnisvolle Ereignisse verwickelt haben; denn Ich suche auch heute noch nicht die Gesunden sondern immer wieder die Kranken, Schwachen, Gichtbrüchigen, Blinden und mit allerlei Übeln behafteten Seelen auf um sie zu heilen, indem Ich gewöhnlich ihre eigenen Sünden zur Schule wähle, aus der sie womöglich gestärkt herausgehen sollen.
So manchen heile Ich weil er festen Glauben hat, nachdem Ich ihn auf seiner Lebensbahn in Verhältnisse gebracht habe, wo er Zeit hatte über seine Irrtümer nachzudenken und sie zu berichtigen. Auch euch, die ihr in Vielem schon besser erkennt was Ich eigentlich mit dem Menschen bezwecken will und zu was Ich ihn auserkoren habe, auch euch muss Ich oft noch Sünden vergeben weil ihr oft noch nicht erkennt, dass diese die Ursache mancher Misshelligkeiten sind, die euer Dasein verbittern, und dass ihr trotz des besten Willens und der größten Aufopferung doch nur unnütze Knechte seid.
Auch jetzt seufzt so mancher unter euch unter dem Druck der Erkenntnis seiner Schwäche; er soll nur, wie der Gichtbrüchige im Evangelium, sich Mir nahen mit dem festen Glauben, dass Ich ihn heilen werde, und er wird dann wohl bald in seinem Inneren die Stimme hören, die ihm zuruft: Deine Sünden sind dir vergeben, steh auf, nimm dein Bett und geh heim, was so viel sagen will als: Verlass dich nicht auf andere, auf zukünftige Ereignisse und bessere Verhältnisse sondern wirf die Schwachheiten von dir, in deren Bett du bist jetzt gelegen bist; nimm deine bisherigen falschen Ansichten und Irrtümer auf deine Schultern und gehe festen Fußes deiner Vervollkommnung und damit deiner geistigen Heimat entgegen. Deine Ansichten und Irrtümer, auf denen du bisher wie ein Kranker gelegen hast, sollen dir trotz ihrer Schwere den Weg nach vorwärts nicht versperren, und du wirst fortschreitend auch ihrer gänzlich loswerden. Es muss nur das umgekehrte Verhältnis eintreten, statt auf ihnen zu ruhen wie es früher bei dir der Fall war, muss du sie, wohl bewusst ihres Unwerts, selbst auf deine Schultern nehmen wie der Gichtbrüchige sein ehemaliges Ruhebett.


Heilung durch Erkenntnis und Ausmerzen von Falschem

So sollt auch ihr, die Ich vor vielen bevorzugt und mit Meiner Lehre vertraut gemacht habe, die Heilung mit euch selbst anfangen. Ich schicke euch dazu die Verhältnisse, unter denen eure Seelenstärke erprobt und geübt werden soll; denn auch jetzt suche Ich die Kranken auf und helfe ihnen, damit sie dann geheilt als gutes Beispiel für andere dienen können.
Ich kann auf ein altes Sündenkleid keinen neuen Fleck heften, und keine neuen Most in alte Schläuche bringen, beide würden das nicht aushalten oder vertragen; das Kleid würde noch mehr zerreißen und der Schlauch bersten, es muss also vorerst das alte Kleid oder der alte Schlauch, der alte Adam beseitigt werden und an dessen Stelle der neue treten; es müssen zuvor die Sünden als Urheber alles Übels vergeben, d.h. ausgemerzt werden, dann kann der frühere Kranke als geheilt seinen Weg rüstig weitergehen. Zu alledem muss aber jedes Wort, jede Tat, jedes Ereignis beitragen um die Arbeiter zu vermehren, die zur Ernte nötig sind.
Viele sind berufen, doch nur wenige auserwählt; viele Lahme, Blinde, Gichtbrüchige gibt es noch, die alle gesund werden sollen, dazu bedarf es aber tüchtige Arbeiter, und diese, sollen sie ihren Dienst erfüllen, müssen jeder Arbeit gewachsen und selbst durch die Schule der Erkenntnis gegangen sein, in der sie anderen Unterricht erteilen sollen.
So ist das Endergebnis der Prüfungen, Kämpfe und Leiden: Abstreifung der üblichen Gewohnheiten, die der göttlichen Liebeordnung zuwiderlaufen, und Bekleidung mit dem Kleid der reinen Liebe und der göttlichen Wahrheit, mit dem man sowohl sich selbst als auch den Nächsten zu versehen suchen soll, damit auch sie dann, wenn der Ruf ertönt: Steh auf, nimm dein Bett und geh heim, den Gesunden als ihren Führern freudig auf dem Weg nach ihrer wahren Heimat folgen können.
Ihr alle wart und seid krank, und mehr oder weniger gichtbrüchig. Ich habe euch die Mittel zur Heilung in Fülle gereicht; wenn ihr ganz geheilt sein werdet, dann werdet ihr die Arbeiter zur Ernte sein, die binnen Kurzem im größeren Maßstab als bis jetzt betrieben werden wird.
Trachtet daher, dass ein jeder von euch seine Pflicht auf seinem Platz erfülle, wie Ich sie von ihm verlangen kann und darf, da es bei euch an Heilmitteln nicht fehlt. Amen.


Zurück zum Seiteninhalt