Gottfried Mayerhofer - Predigten des Herrn - Gottfried Mayerhofer

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PREDIGTEN DES HERRN
- Originaltext nach der Erstausgabe von 1892 -
41.
Am fünfzehnten Sonntag nach Pfingsten

Die Erweckung des Jünglings zu Naim
Lukas 7,11-17: Und es begab sich danach, dass er in eine Stadt mit Namen Nain ging; und seiner Jünger gingen viele mit ihm und viel Volks. Als er aber nahe an das Stadttor kam, siehe, da trug man einen Toten heraus, der ein einziger Sohn war seiner Mutter, und sie war eine Witwe; und viel Volks aus der Stadt ging mit ihr. Und da sie der Herr sah, jammerte ihn derselben, und er sprach zu ihr: Weine nicht! Und er trat hinzu und rührte den Sarg an; und die Träger standen. Und er sprach: Jüngling, ich sage dir, steh auf! Und der Tote richtete sich auf und fing an zu reden; und er gab ihn seiner Mutter. Und es kam sie alle eine Furcht an und sie priesen Gott und sprachen: Es ist ein großer Prophet unter uns aufgestanden, und Gott hat sein Volk heimgesucht. Und diese Rede von ihm erscholl in das ganze jüdische Land und in alle umliegenden Länder.


Empfangen am 22. April 1872

Von der Wundertat

Hier habt ihr wieder eine jener Wundertaten, die Ich wirkte um das Volk und Meine Jünger im Glauben zu bestärken, dass Ich nicht bloß ein gewöhnlicher Mensch, nicht bloß ein Prophet sondern etwas Größeres sei, damit sie alle nach und nach williger Meine Lehre annehmen und sich führen lassen sollten.
Auch die Essäer erweckten Tote, dass dies aber nur scheinbar geschah, habe Ich euch schon im Großen Evangelium Johannes [1] gezeigt; Ich musste also Meine Wunder auf eine andere auffälligere Art bewirken als solches die Essäer und andere Magier taten, denn nur so konnte Ich das Volk eines Besseren belehren.
Eine Totenerweckung scheinbar zufällig am Weg ohne jede Vorbereitung wie bei diesem Jüngling zu Naim war ihnen noch nicht vorgekommen; daher ihr gerechtes Staunen über Meine Macht selbst über das Leben und den Tod, die sie in dieser Art bei Menschen noch nicht gesehen hatten.
So erzog Ich in jener Zeit Meine Jünger und viele andere, sowohl Juden als auch Heiden, als Fortpflanzer Meiner Glaubens- und Liebeslehre, bald durch Gleichnisse, bald durch Reden, bald durch Wunder, und bewies ihnen dadurch die Wichtigkeit Meiner Sendung und die Echtheit Meiner Worte, und zeigte ihnen, warum Ich auf diese Erde gekommen und was der Zweck und das Ziel Meiner Menschwerdung war.
Wenige verstanden Mich, aber doch war der Same in ihre Herzen gelegt, der nach und nach aufging, und wenngleich spärlich, doch Früchte zu tragen anfing. Überall verkündete Ich je nach den Umständen bald durch gewaltige Reden, bald durch Wundertaten den Menschensohn als das, was Er eigentlich war.


Körperlicher und geistiger Tod

Diese Wundertat von der Erweckung des Jünglings zu Naim ist aber geistig zu nehmen, soll sie wie hier als Predigt von Nutzen sein, und wir müssen sonach diesen Vorgang des natürlichen Entkleiden um eine für alle Zeiten gültige Erklärung und Bedeutung desselben herauszufinden, damit ihr erkennt, dass in jeder Tat aus Meinen Lehrjahren etwas verborgen liegt, was nicht für jene Zeit allein sondern für alle Ewigkeiten Geltung hat.
Hier in diesem Evangelium habt ihr ein einfaches Leichenbegängnis vor euch, wo eine weinende Mutter den vergänglichen Überresten ihres geliebten, einzigen Sohns folgte.
Diese Sache ist an und für sich ein gewöhnliches Vorkommnis, das euch täglich, entweder in eigener Familie oder bei Freunden und Bekannten begegnen kann; überall könnt ihr dabei einen Leichnam und weinende Nachfolgende treffen.
Um nun diesen natürlichen, gesetzmäßigen Schlussabschnitt im menschlichen Leben geistig zu erklären, so müsst ihr auch das was einem Leichenbegängnis vorangeht, geistig auffassen lernen.
Seht, jeder Todesfall ist die Einleitung zur Verwandlung des festen Körpers in andere, einfache Bestandteile; es ist eine Scheidung des Geistigen vom Materiellen, oder das Ende des materiellen und der Anfang des geistigen Lebens.
Es gibt in der Schöpfung einen körperlichen scheinbaren, und einen geistigen wirklichen Tod. Und ein Leichenbegängnis kann folglich auch wie im materiellen, so im geistigen Sinn stattfinden.
Hier in diesem Fall beweinte eine Mutter ihren einzigen Sohn und folgte seiner Bahre. Zu dieser Trauer- und Schmerzensszene kam Ich hinzu und die Mutter dauerte Mich; Ich ließ die Träger still halten und erweckte ihren Sohn, damit er noch ferner die Stütze seiner ihn liebende Mutter werde.
Diese Handlung im geistigen Sinn erklärt will so viel sagen als jetzt und noch oft werden Eltern weinen und trauern über die falsche Richtung, die ihre Kinder eingeschlagen haben, wenn sie sehen, wie ungeachtet ihrer Mühen und Sorgen diese kein geistiges Leben in sich bergend, nur der Welt und ihren Genüssen nachgehen, und so dem geistigen Tod entgegeneilen.
Zu manchen solcher weinenden und trauernden Eltern trete Ich dann bei solchen Ereignissen hinzu, wo aber oft Vater oder Mutter leider zu spät erkennen müssen, dass an dem frühen Geistestod ihres Kindes sie selber viel Schuld tragen, und rufe die in Sünde und Laster versunkenen Kinder wieder ins geistige Leben zurück, indem Ich sie die Folgen ihres Lebenswandels in bitterster Weise verkosten lasse. Ich zerstöre die weltlichen Verhältnisse ihres Genusslebens, lasse sie dem Körper nach in Leiden und Krankheiten verfallen, und erwecke so in dem geistig toten Kind das geistige Leben von Neuem, damit es sich bekehre und das Verlorene wiederzugewinnen suche, und so seinen Eltern durch reuige Umkehr die Selbstvorwürfe lindere und ihr Gewissen erleichtere.


Der Zustand der jetzigen Menschheit

Solche Leichenzüge gibt es täglich im gewöhnlichen wie im geistigen Leben. Auf eurer Erde ist jetzt mehr Fäulnis als geistiges Leben vorhanden, und fast die ganze Menschheit liegt in materiellen Gelüsten vergraben, gleichsam im Sarg weltlicher Sorgen und Genüsse; und die wenigen, die noch geistiges Leben besitzen, das sind die Leidtragenden, die hinter diesem Sarg einhergehen und zu Mir um Abhilfe und Rettung flehen, da sie die Toten als ihre Nächsten bedauern, bemitleiden, und sie doch nicht retten können.
Dieser Leichenzug im Kleinen wie im Großen wie auch das Wehklagen der wenigen Besseren veranlasst Mich dann auch, zu diesem Sarg hinzutreten und die Schlafenden oder scheinbar Toten aufzuwecken, damit sie fürs geistige Leben nicht verloren gehen sollen; Ich erwecke sowohl einzelne Menschen als auch ganze Völker durch Unglücksfälle und Ereignisse aller Art, durch die sie die Folgen ihres verkehrten Lebenswandels, das Geistige so ganz außer Acht setzen und nur der Materie frönen zu wollen, fühlen müssen.
Dieser große Leichenzug bewegt sich langsam an den Ort seiner Bestimmung, wo dann die Zersetzung stattfindet. Der seelische Zustand vieler Menschen sowie auch der staatliche Zustand der Völker fangen an zu erstarren und in Fäulnis überzugehen, und es gibt sich ein allgemeiner Zersetzungs-, Scheidungs- und Reinigungsprozess schon deutlich kund wie es bei jedem vom Leben verlassenen Körper geschieht, der dann, den natürlichen Gesetzen unterworfen, anderen Bildungen wieder als Grundlage und Förderungsstoff dienen soll.


Jesus Rettungsversuche

Mitten in diesem allgemeinen Auflösungsprozess der ganzen Menschheit, die ohne geistiges Leben im Sarg der Weltgenüsse liegt, trete Ich nun hinzu, lasse durch Meine Boten und Schreiber neues Leben, neue Kraft, neuen Geist in die Pulsadern der menschlichen Seele strömen, und rufe den Menschen wie einst dem Jüngling zu Naim zu: Jüngling, Ich sage dir, steh auf! Denn die Menschheit, wie sie jetzt ist, gleicht einem Jüngling, der erst zum Mann und Greis ausreifen muss, bevor er seine Mission erfüllt hat. Reif geworden wird sie dann ihre alten Kleider halb vermoderter Weltansichten aus- und ein geistiges nie verwesendes Kleid anziehen, das über dieses kurze Erdenleben hinaus auch fürs andere, größere, ewige Leben tauglich ist.
Dem geistig toten Menschen aber rufe Ich zu: Steh auf! Denn du bist nicht geschaffen, den langwierigen Weg der Materie sondern den kürzeren des Geistes zu gehen. Steh auf und beachte Meinen Ruf ehe noch der gänzliche Zerfall aller gesellschaftlichen Bande dich nur zu bitter lehren wird, dass es noch eine ganz andere Welt gibt als die, an die du seither allein gedacht hast, und die jetzt fast nur noch aus lauter Spekulationen, Betrug, Vergewaltigung, Machthaberei und Ungerechtigkeiten besteht.
Wie einst, so jammert es Mich auch jetzt ob diesem Zustand der Fäulnis, es jammern Mich die besseren Leidtragenden, aber auch die Toten, die ohne Mein Wort der Verwesung oder dem geistigen Zersetzungsprozess unwiederbringlich anheimfallend, den langen und gar beschwerlichen Weg der Erkenntnis von innen heraus, und zwar freiwillig, antreten müssten, weil sie den anderen Weg verwerfen.
Mich jammert es, die Menschheit als Leiche vor Mir zu sehen, wo Ich doch bei Erschaffung des ersten Menschen ihm und hernach allen Nachkommen desselben einen geistigen Funken Meines eigenen Wesens als Mitgift gegeben habe, und später durch Meine Menschwerdung auf eurer Erde nicht allein diesen Funken wieder zur Geltung gebracht, sondern selben durch die größte Demütigung und zahllose Opfer aller Art zu göttlicher Kraft erweckt und euch als Menschen vor so vielen anderen Geschöpfen auserkoren habe, Mich nicht nur als höchsten Geist sondern als Vater zu erkennen, und mit Mir und durch Mich an der Bildung anderer Welten mitzuhelfen, denen ihr dann neue Seligkeiten, neue Wahrheiten bringen dürft, und durch das Geben derselben selber noch tiefere Wahrheiten für euch als Kinder Meiner Liebe empfinden sollt, dass ihr dann erst begreifen werdet was es heißt, die Bevorzugten des allmächtigen Schöpfers und durch Ihn Herren des ganzen Weltalls zu sein.
Eben darum jammert Mich dieser Leichenzug und eben deswegen ertönt durch Meine Worte und Himmelsgaben, die Ich nun auf euch und die ganze Menschheit schon seit Jahren herniederströmen lasse, stets der Ruf: Steht auf, erwacht von eurem weltlichen Totenschlaf zum geistigen, zum ewigen Leben, denn nur dort ist die Löse eures eigenen Daseins, dort allein ist der Anfang und das Ende des Menschengeschlechts, denn euer eigentliches Ich ist nicht bestimmt, gleich eurem materiellen Körper sich wieder aufzulösen und wieder in andere Formen, in andere Wesen überzugehen, nein! Ihr sollt eures anfänglichen Ursprungs wohl eingedenk als unmündige Seelen das Knaben-, Jünglings- und Mannesalter durchleben, um im Greisenalter mit dem Bewusstsein schöner Taten mit einem liebereichen Herz in eine solche Stufe jener Welt übergehen zu können, wo die Verwesung des Weltlichen nicht mehr hineinreicht, wo alles Geist, alles Liebe, alles Licht, Wärme und ewiges Leben atmend, dann keine Leidtragende mehr sind sondern nur lauter freudig jubelnde Geister, die mit und durch euch zum großen Endziel in Mein unendliches Geisterreich geführt werden sollen, wo Ich als Vater Meiner Kinder die Erweckten zum Lichtborn des ewigen Lebens führen werde, und sie Mich dann als Vater erst ganz begreifen werden.
Diese Auferstehung aus dem Materiellen, dem weltlichen Sarg, will Ich bezwecken mit all Meinen Worten, wie Ich einst mit Meinen Worten, Gleichnissen und Wundertaten ebenfalls die damalige Welt erwecken und sie vor geistiger Verwesung bewahren wollte.


Aufgabe der Nachfolger Jesu

In jener Zeit waren die Propheten, Meine Jünger und sonstige Gläubige die Leidtragenden; heutzutage seid ihr es, denen Ich das Wort des Heils und des ewigen Lebens gegeben habe, damit auch ihr so viel als möglich zu dem großen Rettungswerk Meines Heilplans beitragen mögt.
Arbeitet in dieser Richtung zuerst in eurem eigenen Familienkreis, lasst dort keine Tote oder Verwesende aufkommen indem ihr den Samen des Lebens aussät, den dann Mein geistiger Wind, wie die Herbststürme den materiellen Samen auf zu befruchtende Felder, in die durch Leiden und Unglücksfälle zubereitete Herzen führen wird, damit auch dort das Auferstehungsfest sich wiederhole, bis vom ganzen leblosen Leib der Menschheit nichts als der Sarg, die Welt selbst, übrig geblieben ist, die sich dann durch den Einfluss der vergeistigten Menschheit ebenfalls vergeistigen muss, und so das einstige Paradies wieder erstehe, wo der Mensch als geistiges Geschöpf Meiner Schöpferhand entstiegen, auch wieder ein Herr über alle Kreatur wie über die Elemente sein wird. Amen.


[1] Jakob Lorber, Das große Evangelium Johannes (10 Bände)


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