Gottfried Mayerhofer - Predigten des Herrn - Gottfried Mayerhofer

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PREDIGTEN DES HERRN
- Originaltext nach der Erstausgabe von 1892 -
13.
Am ersten Fastensonntag

Die Versuchung des Herrn
Matthäus 4, 1-11: Da ward Jesus vom Geist in die Wüste geführt, auf dass er von dem Teufel versucht würde. Und da er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn. Und der Versucher trat zu ihm und sprach: Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden. Und er antwortete und sprach: Es steht geschrieben: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeglichen Wort, das durch den Mund Gottes geht. Da führte ihn der Teufel mit sich in die Heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so lass dich hinab; denn es steht geschrieben: Er wird seinen Engeln über dir Befehl tun, und sie werden dich auf Händen tragen, auf dass du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest. Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum steht auch geschrieben: Du sollst Gott, deinen Herrn, nicht versuchen. Wiederum führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, so du niederfällst und mich anbetest. Da sprach Jesus zu ihm: Heb dich weg von mir Satan, denn es steht geschrieben: Du sollst anbeten Gott, deinen Herrn und ihm allein dienen. Da verließ ihn der Teufel; und siehe, da traten die Engel zu ihm und dienten ihm.


Empfangen am 21. Januar 1872

Zu Jesus Anfechtungen

Dieses Kapitel handelt von der Versuchung Meiner Person in der Wüste durch Satan. Diese Handlung oder dieses Vorkommnis wie es von Meinen Evangelisten beschrieben wurde, ist aber nicht buchstäblich zu nehmen, denn wenn Ich Satan in der Person des Verführers erkannte, was doch sicher der Fall gewesen wäre, so wäre es für Mich ja gar keine Versuchung gewesen, denn Ich als der Herr Selbst würde Mich doch nicht von Satan zu irgendeiner Tat haben verleiten lassen, durch deren Vollbringung Satan über Mich hätte triumphieren können.
Der Sinn dieses Evangeliums liegt daher tiefer und ganz wo anders. Seht, bevor Ich Mein Lehramt antrat, musste Ich Mein Menschliches dem Göttlichen in Mir vollständig unterordnen; Ich hatte all die Einflüsse menschlicher Leidenschaften in Meiner Seele zu überwinden, wobei Ich ganz Mensch war und das Göttliche Sich in Mein Innerstes zurückzog; Ich musste Meiner Geisterwelt ein Beispiel geben, wie man allen Anfechtungen im Fleisch, die den Fortschritt des Geistigen aufzuhalten suchen, widerstehen, und die niederen Triebe in der Seele zu besiegen vermag und auch besiegen muss, wenn man Mein Kind werden will.


Erste Versuchung: Genuss- bzw. Selbstsucht

Um als Mensch Meine Seele leichter dem Göttlichen zu unterwerfen, entzog Ich ihr bis auf ein Geringes das Materielle, die Leibesnahrung, und als Ich einige Zeit gefastet hatte, da machte die menschliche Natur ihre Rechte geltend, d.h. es hungerte Mich.
Nun ist aber die materielle Natur, der Hang zum Irdischen der Satan, der versucht die Seele von ihrem Streben nach dem Höheren, Göttlichen abzuziehen, und sie wieder an das Materielle, an die körperlichen Gelüste binden will.
Ich musste diesen materiellen Trieb überwinden und die Notwendigkeit, dass man dem Höheren nachstreben soll, dadurch kundtun, dass Ich, obwohl Mir die Macht innewohnte, Mich auf die leichteste Weise zu sättigen, indem Ich selbst aus Steinen, ja aus Nichts hätte Brot machen können, dies dennoch nicht tat, sondern die geistige Natur über die irdische herrschen ließ; was Ich durch die Worte, mit denen Ich Satan in seine Schranken wies, tat: Der Mensch lebt nicht allein vom Brot, sondern von einem jeglichen Wort, das aus dem Mund Gottes geht, womit Ich sagen wollte: Wenn leibliche Gelüste des Menschen Seele bestürmen, so soll er dessen eingedenk sein, dass des Menschen geistiges Innere höher steht als das Materielle, und dass besonders Erstes gewahrt, ja selbst auf Kosten des Letzten verpflegt und erzogen werden muss. Die Anweisung, den Satan in euch abzuweisen, lautet für euch: Gedenkt stets, dass ihr nicht zur Pflege eures Körpers, sondern zur Vervollkommnung eurer Seele geschaffen, und zu diesem Zweck als Menschen auf diese Erde gesetzt worden seid.
Wenn auch Mein Irdisches dadurch in seinem Begehren abgewiesen wurde und zu leiden hatte, so gewährte doch dieser Triumph der Seele über das Materielle ihr ein Übermaß von Seligkeit, und so wird es auch bei euch in solchen Fällen sein.


Zweite Versuchung: Eitelkeit bzw. Selbstliebe

Die zweite bildliche Versuchung Meiner als Jesus war, die göttliche Macht, die in Mir wohnte, zu versuchen, d.h. mit anderen Worten, mit Meinen göttlichen Eigenschaften Mich zu brüsten. Das Menschliche an Mir, bildlich als Satan dargestellt, wollte sich Meine Seele dienstbar machen, indem es die Eitelkeit in ihr aufzustacheln suchte.
Diese Versuchung gleicht derjenigen eines Menschen, der mit größeren Fähigkeiten, Kenntnissen, ja sogar mit göttlicher Kraft begabt, Dinge zu verrichten imstande ist, die anderen Menschen versagt und ihnen deswegen wunderbar erscheinen müssen, und er solche Eigenschaften missbraucht um damit zu prunken statt sie zur Verherrlichung Gottes und zum Wohl seiner Mitmenschen zu nutzen.
Dieser menschlichen Schwäche, der Eitelkeit, gebührt die Antwort: Du sollst deinen Gott und Herrn nicht versuchen, d.h. der Herr, Der dir die Macht [größere Fähigkeiten, Kenntnisse, göttliche Kraft] verlieh, Er kann sie dir auch jeder Zeit wieder nehmen, sobald du sie nicht zu Seinen sondern zu deinen eigenen Zwecken gebrauchst, denn solches Tun ist Missbrauch eines göttlichen Geschenks, das nicht aus Demut, sondern aus Hochmut entspringt.


Dritte Versuchung: Herrschsucht bzw. Selbstherrlichkeit

Die dritte Versuchung des Satans war die Herrschsucht in Meiner Seele zu wecken, denn leibliches Wohlleben, dann der Wunsch mehr als andere zu sein, und im gesellschaftlichen Leben eine hervorragende, glänzende Stellung einzunehmen, worin die Mittel zur Befriedigung des Wohllebens liegen, und endlich statt gehorchen herrschen zu können, statt der Letzte der Erste zu sein, den anderen Gesetze vorschreiben und sich selbst über das Gesetz erheben zu können glaubt, das sind die drei mächtigsten Leidenschaften im menschlichen Herzen, die die Grundlage aller anderen bilden.
Diese dritte Versuchung des Satans in Meinem Menschlichen überwand Meine Seele im pflichtbewussten Aufblick zum Vater, und mit aller Entschiedenheit beendete sie den Kampf, indem sie den Neigungen des Fleisches zurief: Hebe dich hinweg, Satan! Denn es steht geschrieben: Du sollst anbeten Gott, deinen Herrn, und Ihm allein dienen, d.h. mit anderen Worten: Hinweg mit dieser schmutzigen Leidenschaft der Herrschsucht, die in ihrem Gefolge Hochmut, Hass, Rachsucht, Zorn und dergleichen hat. Das Geistige, das dir Gott in die Brust gelegt hat, verlangt Demut, Bruderliebe, Verzeihung; du sollst dich nicht über andere erheben, sondern sollst als Kleinster ein Diener aller werden, sollst gehorchen lernen, um einst befehlen zu können, aber nicht mit richtenden Worten, sondern mit Liebe und Geduld, wobei der Gehorchende einsehen lernt, dass sein Gehorsam nur zu seinem Besten ist.
So dient dann der Mensch seinem Gott und Herrn, indem er Meinem Beispiel folgend im Kleinsten und Niedrigsten das Höchste erreicht.


Richtlinien für die Nachfolge Jesu

So wie Ich Selbst einst alle menschlichen Leidenschaften durchkämpfen musste, die Ich als Schöpfer absichtlich in die menschliche Natur gelegt habe, ebenso müsst auch ihr, wollt ihr Mir nachfolgen, dasselbe tun. Den mächtigen Trieb des leiblichen Wohllebens müsst ihr bekämpfen, müsst alle diese Genüsse einem höheren Zweck unterordnen, euch von Fesseln freimachen, die die Schwingen eurer Seele hemmen. Ihr müsst die Eitelkeit als eine Lügnerin von euch verbannen, da sie euch euer eigenes Bild schöner ausmalt als es ist, mit Affenliebe über die Fehler einen Schleier wirft, und die Triebe der schlechtesten Art mit klügelnder Weisheit entschuldigt, wodurch ihr dann oft glaubt, mehr und besser zu sein als ihr wirklich seid, was euch natürlich im Fortschreiten hindert.
Traut euch nicht Kräfte zu die ihr nicht besitzt, denkt euch schwach und unmündig um im Glauben und Vertrauen an Mich zu erstarken, dann wird auch die dritte schlechte Eigenschaft, die Herrschsucht, euch nicht übermannen, nicht zum Sklaven eurer Selbst machen, denn es gibt nichts Schlechteres auf der Welt als stets den Eigendünkel zu hegen, etwas besseres als andere zu sein.
Seid gehorsam euren Vorgesetzten, und trachtet nicht nach Herrschaft über andere, zur Herrschaft gehören ganz andere Eigenschaften als diejenigen auf Erden besitzen, die ihre Mitmenschen beherrschen wollen.
Nehmt Mich als Muster: Wie herrsche Ich? Etwa mit Gewalt? Herrsche Ich durch augenblickliche Bestrafung der Fehlenden, oder durch unerbittliches Gericht über Gefallene und Verirrte? Herrsche Ich durch Zorn, Rache und Bestrafung? Gewiss nicht! So wie ihr Mich kennt so seht ihr, dass Ich bloß durch und mit Meiner alles umfassenden Liebe herrsche, dass Verzeihen Mein erster Grundsatz ist und Ich nicht den verfolge, der, vielleicht ohne Verschulden, fehlt, sondern nachsichtig ihm erst alle Mittel in den Weg schiebe um sich bessern und bekehren zu können.
Alles Schlechte, was sich in der Welt augenscheinlich als solches zeigt, ist nicht von Mir geschaffen worden, sondern ist ein Produkt des Missbrauchs von Seiten der Menschen; sie als freie Wesen können tun was sie wollen, müssen aber auch sich selbst die Folgen davon zuschreiben. Es gibt nur eine Wahrheit und wer dagegen sündigt, muss die Folgen der Lüge fühlen.
Dieses Evangelium ist euch ein Beispiel wie Ich als Mensch die Leidenschaften, die Ich in die menschliche Natur gelegt habe, kräftigst bekämpfte um euch und allen Geistern zu zeigen, dass das Schlechte, das Ich in der Welt zugelassen habe, doch nur zum Besten, zum geistigen Fortschritt der Menschen dienen soll, indem sie durch Bekämpfen desselben geistig wachsen.
Gott allein sollt ihr dienen, ihr dient ihm aber nur, wenn ihr Seine Liebegesetze befolgt die euch dazu antreiben sollen, eure Fleischesgelüste und die schlechten seelischen Eigenschaften wie Eitelkeit und Herrschsucht zu bekämpfen.


Unsere Mission dies- und jenseits

Nur durch Verleugnung und Bekämpfung dieser starken Triebe eurer menschlichen Natur könnt ihr euer Ziel erreichen, und ihr werdet einst in Meinem Reich begreifen was es heißt, dort über vieles gesetzt zu werden oder den Spruch: Wer sich erniedrigt, der wird erhöht werden.
Denn auch dort werdet ihr diese gleichen Eigenschaften wieder treffen, wenngleich nicht die erste, die Genusssucht in materieller Form, so doch in geistiger, nämlich alles wissen, alles begreifen zu wollen, während die anderen zwei Eigenschaften, nämlich Eitelkeit und Herrschsucht, mächtiger als hier in euch hervortreten werden, denn dort ist das Bewusstsein einer Kraft noch größer als hier. Das seht ihr gerade an Luzifer und seinen Schaaren, die ebenfalls im Bewusstsein ihrer Kraft das Gleichgewicht verloren, von der Demut in Übermut übergingen und dann sogar über Mich herrschen wollten.
Um also dort das rechte Maß zu finden und zu wissen wie und wann man seine Kraft gebrauchen kann, und um zu begreifen wie viel der Kenntnis bei dieser oder jener Aufgabe gerade notwendig sein wird, und um zu wissen, dass man jenseits wenn man gleich über Großes gesetzt wird, doch dem niedrigsten Wesen in der Schöpfung dienen kann und soll, dazu müssen diese Leidenschaft schon hier in diesem Prüfungsleben bekämpft und bezwungen werden, damit man auch in jenen Verhältnissen, wo man mit größerer Macht ausgerüstet ist, dennoch ihr Herr sein kann.
Deswegen nehmt euch Meine Worte zu Herzen. Ihr wisst nicht die Hälfte eurer Mission, ihr kennt nicht zum dritten Teil eure eigene Natur und wisst ganz und gar nicht, warum sie so und nicht anders geschaffen ist.
Ihr seid alle noch bedeutend mit Blindheit behaftet, das Licht Meiner Weisheit kann noch nicht bis zu eurem Innersten vordringen, höchstens bewegt ein Funke Meiner Liebe manchmal euer Herz und lässt euch fühlen, dass es noch etwas Höheres und Größeres gibt, aber kaum dass dieser Lichtstrahl die innerste Kammer eures Herzens erleuchtet, so sind es eben diese drei Leidenschaften Selbstsucht, Eitelkeit und Herrschsucht, die dieselbe wieder verdunkeln, euch tausend Ausreden ins Ohr raunend, zum Beispiel: Ja, man kann nicht so leben, ja, die Welt ist einmal so gemacht usw. – lauter Ausflüchte der Trägheit, weil ihr alle gern Hörer Meiner Worte seid, aber keine Täter werden wollt.


Gott über alles setzen

Jetzt gerade, wo euch jeden Sonntag Mein Evangelium erklärt wird, und zwar so, wie ihr es noch nie gehört habt, eben jetzt möchte Ich euch zum Nachdenken zwingen über Meine Darniederkunft, damit ihr doch ein wenig die Größe und Wichtigkeit dessen einsehen möchtet was das heißt: Ein Gott, Schöpfer der ganzen Unendlichkeit, stieg auf eure Erde herab, und zwar in die niedrigsten Verhältnisse, ließ Sich dort durch euch verirrte und blinde Geschöpfe verfolgen und sogar leiblich kreuzigen, machte alle Wandlungen eures Lebens durch, bekämpfte wie ihr es sollt die menschlichen Leidenschaften, um eben euch und allen Geistern als hehres Beispiel für alle Zeiten voranzuleuchten, dass, will man Mir geistig gleichen, man auch das Geistige als Höchstes achten und ihm alles andere unterordnen, und so die mächtigsten Leidenschaften bekämpfend einst würdig werden soll, auch anderen Geistern als Führer und Lehrer zu dienen und in der Tat zu beweisen, dass der Mensch nicht nur von materieller sondern sein besserer Teil hauptsächlich von geistiger Speise lebt, sowie dass man Gott in Seiner Gnade nicht versuchen und nur Ihm allein dienen soll, indem man Seine zwei Liebegebote befolgend, sich und andere dahin führt, wo Er, der Vater aller, euch schon längst haben wollte, nämlich als Seine würdigen Kinder in Seinem Reich. Amen.


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